Kanada 05

Reisebericht 05 / Channel-Port-aux Basques (Newfundland, Kanada) - St. Barbe (Newfundland, Fähre nach Labrador)
17. Mai 2009 - 03. Juni
2009 / km 1200 - 5500

Reiseroute: Channel-Port-aux Basques (Newfundland), Codroy Valley Provincial Park, Port aux Port Peninsula, Corner Brook, Deer Lake, Grand Falls Windsor, Twillingate, Musgrave Harbour, Gambo, Terra Nova National Park, Bonavista, Trinity, Clarenville, St'John's, Bay Bulls, Cape St'Mary's, Placentia, Gander, Grand Falls-Windsor, Deer Lake, Gros Morne National Park, St'Barbe (Fähre nach Labrador)


Unsere 1. Nacht verbringen wir im Cheeseman Provincial Park, im Südwesten von Neufundland. Tages-Themperaturen um die 10°C und Nacht-Themperaturen um den Gefrierpunkt, wecken nicht gerade frühlingshafte Gefühle.
In Neufundland erlebt man nicht selten alle 4 Jahreszeiten an einem Tag. Vieles erklärt sich durch die geographische Lage. Die Südküste liegt nahe des 47. Breitengrades, also auf der Höhe von Paris. Aber bei Erhebungen von maximal 800 m verhindert kein schützendes Gebirge das Eindringen von Luftmassen aus allen Richtungen. Das Wetter ist insgesamt sehr wechselhaft.

Nun regnet es schon den dritten Tag in Folge. Ein idealer Tag, um eine Farm zu besuchen. Nicht irgendeine, sondern die erste Alpaca Farm in Newfundland und Labrador. Seine 20 Tiere machen alle einen guten Eindruck und sind sehr zutraulich. Das kommt daher, dass er einen Alpaca Shop hat und die Besucher auch seine Tiere füttern können. Auf die Frage, ob er davon leben könne meint er: "Die Saison ist in diesem rauen Klima nur von Juni - Ende August und in der restlichen Zeit muss ich eben dahin, wo die Leute sind.
Das ist die Hauptstadt St'John, wo manchmal die grossen Kreuzfahrschiffe ankern, oder in die Städte Montreal und Quebec, wo ich einen Alpakastand aufstelle".

Die Insel- und Buchtenwelt der Notre Dame Bay gehöft zu den touristischen Höhepunkten Neufundlands. Über mehrere Inseln und Dämme gelangen wir nach Twillingate, die Iceberg Capital of the World. Es ist schon eindrücklich, wenn wir von unserem Übernachtungsplatz, bei einer ehemaligen Kupfermine, vorbeidriftende Eisberge bewundern können. Die zum Teil haushohen Kolosse
stranden direkt vor dem Städtchen. Mit dem Feldstecher beobachten wir die Eisberge, denn es kommt immer wieder vor, dass grosse Eisschollen vom Packeis abbrechen und ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt sich ein Eisbär darauf befindet. Diese stranden dann, zusammen mit dem Bären an der Nordostküste. Umgehend werden sie wieder von der Küstenwache zu ihrem angestammten Lebensraum zurückgebracht. Am Abend schauen wir dochnoch etwas genauer um unseren Suri herum, ob sich kein Eisbär irgendwo noch befindet.
Etwa 30'000 Gletscher kalben pro Jahr von Grönlands Gletschern und durchschnittlich 400 von ihnen schaffen es mit dem Labradorstrom und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 30 km pro Tag, bis hinunter zur Hafeneinfahrt des südlich gelegenen St' John. Ab Juli macht ihnen die Sonne aber den definitiven Garaus.

Da wir etwas mehr über die Ureinwohner Newfundlands wissen wollen, besuchen wir das kleine Beothuk Museum in Boyd's Cove. Es thematisiert die Kultur und Geschichte der ausgerotteten Beothuk-Indianer, die über Jahrhunderte in dieser Region siedelten.
Bevor die letzte Beothukfrau, Shanawdithit, im Juni 1829 in St'John starb, zeichnete sie noch alles auf, was sie über ihre Kultur wusste. So entstanden Wortlisten der Beothuk-Sprache und Karten ihrer Siedlungsplätze. In kleinen Gruppen lebten sie in Wigwams, die mit Birkenrinde bedeckt waren. Der später allgemein verbreitete Begriff "Rothaut" bezog sich zuest auf die Beothuk, da sie ihre Körper als Schutz gegen Sonnenbrand und Insekten mit rotem Ocker, vermischt mit Tierfett, einrieben.
Bereits die Wikinger trieben mit ihnen Handel, es gab aber auch Auseinandersetzungen. Die nächsten Europäer - 500 Jahre später - verschleppten Dutzende Beothuk nach Europa. Darum mieden die damals etwa 2000 Beothuk den Kontakt mit ihnen und zogen sich ins Landesinnere zurück. Aber nachdem die Fischer im Winter zurück nach Europa gesegelt waren, holten sich die Beothuk aus den verlassenen Gebäuden der Weissen alles, was sie gebrauchen konnten.
Dieses Verhaltensmuster, Kontaktvermeidung und die von den Europäern als Diebstahl angesehene Selbstbedienung, sorgte für ein Klima aus Misstrauen und Hass. Darauf fanden blutige Kämpfe statt und um die Mitte des 18. Jahrhunderts zählten sie vermutlich nur noch 400 Personen.
Obwohl 1810 die britische Regierung den Schutz der Indianer proklamierte, erschoss man weiterhin nach alter Übung die Beothuk, wo immer sie sich zeigten. Eine 1827 durchgeführte Suche nach überlebenden Beothuk Indianern blieb so gut wie erfolglos und die oben erwähnte Beothukfrau war noch die letzte ihres Stammes. Es ist nicht gerade ein rümliches Kapitel von uns Europäern.

Vom heutigen Übernachtungsplatz sind wir nicht sehr begeistert. Wir befinden uns im Terra Nova National Park, nicht weit entfernt von Gander, wo während des 2. Weltkrieges eine der grössten Militärbasen Nordamerikas aufgebaut wurde.
Wir müssen uns regelrecht ins wageninnere flüchten, da wir von den Blackflies fast gefressen werden. Normalerweise machen wir am Abend ein kleines Campfeuer, das die gefräsigen Biester meistens vertreibt. Aber in diesem Park ist das entfachen von offenem Feuer verboten.
Wer klopft so spät an unsere Tür, fragen wir uns, denn es ist schon 10 Uhr abens. Vor der Tür steht der Park-Rancher. Er fragt uns:" Habt ihr alles essbare im Auto? Denn ich habe weiter vorne eben einen Schwarzbären gesehen".
Man muss wissen, in Neufundland ist "Black Bear Country". Die Wahrscheinlichkeit, auf Bären zu treffen, ist zwar für Touristen eher gering, aber nicht ausgeschlossen. Bären meiden die Gebiete, in denen häufig Menschen anzutreffen sind. Wenn Wanderer in der Wildnis uterwegs sind, gehört es zum normalen Verhalten des Bären, dass er ihnen ausweicht und flüchtet. Ausnahmen bilden Situationen, in denen das Tier sich bedroht fühlt und sich auf Verteidigung einstellt.
Wenn man trotzdem auf einen Bären trifft, sollte man ruhig bleiben. (Wenn man das kann!) Schnelles weglaufen ist sinnlos, denn der Bär ist schneller. Wenn der Bär seinen Kopf schwingt und drohende Geräusche von sich gibt, seine Zähne zeigt oder seine Klauen spreitzt, die Schnauze öffnet und mit der Tatze auf den Boden schlägt, bedeutet das, dass er sich in die Enge getrieben fühlt und zur Verteidigung übergeht.
Wer auf eine Bärenmutter mit Jungen trifft, muss unbedingt vermeiden, zwischen die Bärin und den Nachwuchs zu geraten. Wenn ein Bär angreift, kann es sinnvoll sein, sich tot zu stellen, indem man sich auf den Bauch legt, die Beine ausstreckt, Kopf und Nacken mit den Armen schützt und ganz still ist. Wenn der Bär keine Bedrohung mehr verspürt, wird er den Ort wahrscheinlich verlassen.
Wird man hingegen von einem Bären verfolgt und angegriffen, hilft kein totstellen. Auch die Flucht auf einen Baum nützt nicht viel, denn Schwarzbären klettern sehr gut.
Da nützt nur eines, ihn erschrecken oder laut schreien. Ich frage mich nur, mit was erschrecken? Vielleicht zeigt man ihm ein Bild von Georg W. Busch oder Paris Hilton? Oder man singt ihm ein Lied von "Musikstar Pierro" vor, das erschreckt bestimmt jeden Bären.
Mit so viel Wissen über agressive Bären, machen wir heute unsere erste Biketour im Bären-Country.
Die Landschaft mit den bewaldeten Bergrücken, Sümpfen, Binnenseen und einer langen Küstenlinie entlang der tief eingeschnittenen Buchten, ist einfach grandios.
Als ich in einem Waldstück auf Ruth warten muss, steige ich zu Fuss ein wenig den Hügel hinauf und warte dort auf meine Bike-
gefährtin. Langsam kommt sie den Hügel hinauf angeschnaubt. Bis jetzt musste ich gar nicht, dass sie einen heimlichen Turbo hat, denn als ich ein lautes Bärenschnauben ertönen lasse, spurtet sie wie Lance Armstrong den Hang hinauf. Es war zwar lustig, aber hinterher habe ich was zu hören bekommen!!!!!!!

Über Bonavista, wo im Jahr 1497 der Italiener Giovanni Caboto auf Neufundland traf, fahren wir weiter nacht Trinity. Das nur 500 Einwohner zählende Dorf, gehört zu den ältesten Siedlungen Nordamerikas. Im 18. und 19. Jahrhundert war es eine prosperierende Fischer- und Handelsstadt. Nun stehen viele Gebäude unter Denkmalschutz und wurden sorgfältig restauriert. Dennoch ist kein Leben im Städtchen und etliche Häuser stehen zum Verkauf.

Nach all der Natur ist heute Grosstadt angesagt. Wir stürtzen uns in den Feierabendverkehr von St'John, der Hauptstadt von Neufundland.
Wieder einmal in einer "Grosstadt" einer Country-Band zuhören und dazu ein Bier trinken, das sind doch die Annehmlichkeiten, die so ein Stadtbesuch lohnenswert machen.
St'John ist zwar eine alte Fischerei und Hafenstadt, aber das Strassenbild wird doch zunehmend von Kravattenträgern als von Hafenarbeitern bestimmt.
Sehenswert ist der Signal Hill mit seinem spektakulären Blick übers Meer, die Stadt und die enge Hafeneinfahrt. Hier besuchen wir ein kleines Museum das anschaulich aufzeigt, wie Marconi im Dezember 1901 die erste trabsatlantische Funknachricht aus Cornwall, England empfing und damit das moderne Zeitalter der Telekommunikation einläutete.

Seit wir in Newfundland sind, möchten wir den eleganten Papageientaucher, den Atlantic Puffin, sehen. Seinetwegen machten wir den Abstecher in den nordöstlichen Zipfel der Insel, nach Bonavista. Leider waren wir dort etwa 2 Wochen zu früh um den Vogel zu sehen.
Das ist jetzt der Grund, dass wir in Bay Bulls, auf der Avalon Peninsula, eine sogenannte Atlantic Puffin Tour buchen, wo wir garantiert den Papageientaucher sehen werden.
Und tatsächlich, auf der unter Naturschutz stehenden Insel "Green Island" hat es mehrere tausend des Papageientauchers. Dazu kommen noch viele Dreizehenmöwen (Kittiwake), Lummen (Murre) und Küstenseeschwalben (Arctic Tern). Insgesammt beherbergt die Insel über 1,5 Millionen Seevögel. Es ist ein Genuss, den Vögeln beim tauchen und fischen zuzusehen. Auf dem stark schwankendem Katamoran ist es aber fast unmöglich, ein gutes Foto von einem Puffin zu schiessen.

Heute steht ein weiteres Highlight auf unserem Programm. Die riesige Tölpel (Gannet) Kolonie in Cape St' Marie. Wahrscheinlich ist es die spektakulärste Seevögel Kolonie in Nord Amerika. Seit 1983 ist diesere Fels, wo tausende von Tölpel, nicht zu verwechseln mit den vielen Tölpel, die in der Schweiz leben, ihr Brutrevier haben, ein geschütztes ökologisches Naturreservat. Der nur wenige Meter dem Festland vorgelagerte Vogelfelsen, beherbergt etwa 18'000 brütende Tölpel Paare. Das Geschrei, siehe den Kurzvideo, und der Geruch bleibt unvegesslich.

Heute schüttet es wieder mal wie aus Kübeln. Ruth kommt auf unserem Zeltplatz mit einer Kanadierin ins Gespräch und diese erzählt uns, wie sie voriges Jahr in der Schweiz war und nur wenige Meter neben unserem Zuhause in Seelisberg (Uri) im Hotel Tell übernachtet hatte. Wie klein doch die Welt immer wieder ist!
Jener Übernachtungsplatz befindet sich im Gros Morne National Park, der ein UNESCO Welterbe ist. Seine tiefen Täler, steilen Felsen und tief in das Felsplateau eingeschnittenen Fjorde wurde hauptsächlich durch eiszeizliche Gletscher geformt. Es gibt hier viele Elche, Karibus, Füchse, Schwarzbären, Schneehühner, Weisskopf- und Seeadler.
Bevor wir nach Newfundland überschifften, warnten uns alle vor den vielen Elchen und dass wir nie nachts fahren sollten, denn das soll viel zu gefährlich sein. Zu unserem Verdruss sahen wir aber bis zum heutigen Tag nie einen Elch und ich beabsichtigte schon, die ganze Nacht durchzufahren, um überhaupt im Land der Elche einen Elch zu sehen.
All das hat sich jetzt erübrigt. Auf unserer Wandertour zum Western Brook Pond, im Norden des Nationalparks, hatten wir viele spannende Augenblicke mit mehreren Elchen.(Kurzvideo)

Heute geht es zur Fähre nach Labrador. Dieser Nordost Zipfel ist eine der einsamsten Gegenden von Kanada und wahrscheinlich der ganzen Welt. Wir sind gespannt, was uns hier erwartet.

Meistens kommt es anders, als man denkt!!!!!!

Es war schon zuhause ein Wunsch, Labrador zu bereisen. Die bisherige Tour haben wir so zusammengestellt, dass wir anfangs Juni die 1. Fahrt nach Labrador buchen könnten.
Zwischendurch haben wir uns immer wieder informiert, wie es mit dem Packeis steht, beim Hamilton Inlet. Das ist die grosse Bucht, bei der Einfahrt nach Goose Bay in Labrador. Im Head Office, bei der Labrador Ferry Company, versicherten sie uns jedes mal, dass die Fähre planmässig am 3. Juni den Verkehr aufnimmt.
Doch heute, kurz vor der Abfahrt, vernehmen wir die schlechte Nachricht. Starke arktische Nordwinde haben das ganze grönländische Packeis in die Hamilton Bucht hineingetrieben. So muss er Fährverkehr um mindestens eine, wenn nicht zwei Wochen, verschoben werden.
So entschliessen wir uns schweren Herzens, hier nicht länger auf eine unsichere Abfahrt zu warten, sondern wieder in den Süden zu fahren und die Fähre zurück nach Nova Scotia zu nehmen. Es hat auch seine Vorteile, anstatt noch kälter wird es jetzt endlich wärmer.