Kanada 04

Reisebericht 04 / Halifax (Nova Scotia, Kanada) - Sidney / 05. Mai 2009 - 16. Mai 2009 / km 0 - 1200

Reiseroute: Halifax (Nova Scotia), Peggys Cove, Liverpool, Cape Sable Island, Digby, Long Island, Minas Basin, Truro, Cape Breton Island, Sidney

Heute können wir unseren "Surri" im Hafen von Halifax abholen. Ein wenig aufgeregt sind wir schon. Hat unser Wohnmobil die lange Reise über den grossen Teich gut überstanden? Wurden die Lebensmittel aus der Schweiz beschlagnahmt?

Dieses und ähnliches fragen wir uns, als wir vor dem Büro des Spediteurs stehen. Von ihm erhalten wir auch die Frachtpapiere für den Zoll und das Terminal. Mit diesen Papieren geht es dann weiter zum Hafenzoll, wo uns die freundliche Beamtin nach dem Grund der Reise fragt und ob wir Alkohol, Drogen und Feuerwaffen mitführen. Wer sagt hier schon Ja?
Mit den abgestempelten Frachtpapieren geht es sogleich weiter zum Terminal, wo wir schon bald unseren "Kleinen" wohlbehalten in Empfang nehmen. Unsere Sorge war unbegründet: Keine Inspektion des Fahrzeuges und des Innenraumes.

Doch bevor wir uns auf den Weg machen, müssen wir erst noch unseren Vorrat an Propangas auffüllen. Das erweist sich jedoch schwieriger als angenommen. Jedem, dem wir unsere leeren Propanflaschen vorweisen, schaut uns nur ratlos an. Auch wenn ich ihnen die Adapter vorzeige, die ich speziell für die Kanadischen Gas-Auffüllanlagen gekauft haben (derjenige hört was), hilft das nicht weiter. So gibt es nur eines, die europäischen Flaschen entsorgen, kanadische Flaschen besorgen und den Schlauch mit dem Anschluss abändern.

Unsere erste Fahrt bringt uns nach Peggy's Cove. Nicht unweit der Küste war im September 1989 die DC - 10 der Swissair abgestürzt. Hier befindet sich ein Memorial, Swissair Flight 111, das an die über 200 Toten des Absturzes erinnert. In der Nähe befindet sich auch der Leuchtturm vom Peggy's Cove, wo wir unsere erste Nacht bei dichtem Nebelregen verbringen.

Auf dem weiteren Weg nach Westen, passieren wir viele kleine Fischerdörfchen. die meisten Menschen leben dort vor allem vom Hummerfang und der Ernte von Rockweed, einem Seetang, den man als Düngemittel verwendet, sowie von Irish Moss, das zur Herstellung von Geliermittel von der Lebensmittelindustrie benutzt wird.

An einem tiefen Hafen geschützt, liegt das Städtchen Digby. Hier befindet sich die gösste Flotte von Scallop-Fischern in Nova Scotia. Scallops (Jakobsmuscheln) sind eine international hoch gehandelte Delikatesse. Sie sehen aus wie Miesmuscheln, sind aber braun und doppelt so gross. So beschliessen wir, zusammen mit einem jungen Paar aus Zürich, die wir an einer Tankstelle getroffen haben, jene Spezialität zu versuchen. Sie schmecken ähnlich wie Hummer oder Crevetten. Nicht schlecht, aber nicht für alle Tage.

Auf der Landzunge Digby-Neck, knapp oberhalb der tosenden Brandung, haben wir abseits von einem kleinem Fischerdörfchen, einen herrlichen Übernachtungsplatz gefunden. Mit direktem Blick aufs Meer und den pupurroten Sonnenuntergang, beschliessen wir mit einem Glas Chardonnay einen ereignisreichen Tag.

Weiter geht es Richtung Bay of Fundy. Hier veranstalten die Kräfte der Natur zweimal täglich ein aussergewöhnliches Schauspiel. In der Bucht zwischen Main (USA) und den Provinzen New Brunswick und Nova Scotia, misst man bis zu 16 m Pegelunterschied zwischen Ebbe und Flut. Das ist der grösste Tidenhub der Welt. Zum Vergleich: Die Wasserstände der Nordsee variieren mit den Gezeiten im allgemeinen um ca. 2-3 m, in der Ostsee nur wenige cm. Fischerei sowie Fähr- und Schiffsverkehr haben sich aber ganz gut auf diesen starken Gezeitenwechsel eingerichtet. An vielen Orten sehen wir schwimmende Stege, die mit dem Wasserstand steigen oder sinken.

Über einen Strassendamm, den Canso Causeway, gelangen wir in den nördlichsten Teil von Nova Scotia, nach Cape Breton Island. Unsere erste Anlaufstelle ist das kleine Örtchen Judique, wo jeden Sonntag schottische Volksmusik gespielt wird. Die Stimmung ist super und schon bald sind fast alle auf der Tanzfläche bei "Linedance". In diesem Teil Nova Scotias hat es viele ausgewanderte Iren und Schotten bei denen die heimische Tradition hochgehalten wird.

Im Gegensatz zu den letzten 7 Tagen, erwachen wir heute bei strahlendem Sonnenschein. Der erste richtig schöne Tag, seit wir unseren Surri in Empfang genommen haben. Da fast allen Campingplätze noch geschlossen haben, übernachteten wir immer "wild", irgendwo direkt am Meer. Endlich kein prasselnder Regen auf unsere Dach, sondern nur das Geräusch der Brandung und Vogelgezwitscher. Jetzt heisst es die Wanderschuhe anschnallen, denn auf dem Programm steht eine Wanderung durch den Cape Breton Highlands National Park. Die Landschaft im Park ist dramatisch. Im Westen ragt die Steilküste stellenweise über 300 m hoch über das Meer. Konzentriert wandern wir über die Hochflächen entlang dem Küstenabschnitt und plötzlich sehen wir gut getarnt im lichten Unterholz, unser erstes Moos (Elch). Nebst einigen wilden Hasen und Eichhörnchen, sehen wir noch 4 andere Elchkühe.

Weiter führt eine Schotterstrasse zum nördlichsten Punkt der Insel, Meat Cove. Die Küstenlandschaft ist hier, wo das Wasser der Northumberland Strait auf den offenen Atlantik trifft, grandios. Obwohl der Campingplatz noch geschlossen hat, erlaubt uns der Besitzer, hier einige Tage zu bleiben. Als Dank wechseln ein paar schweizer Schöggeli den Eigentümer. Dieser Platz , über den Klippen gelegen, ist einfach fantastisch. Von hier können wir von blosem Auge viele Minke Wahles (Zwergwale) beobachten. Diese, bis zu 9 m langen Wale, kann man oft an Kanadas Ostküste beobachten. Im Sommer kommen sie aus dem Süden, wo sie ihre Jungen zur Welt gebracht haben, in die nahrungsreichen nördlichen Gewässer des Atlantik. Relativ häufig sind Buckelwale, Finnwale und die hier vor der Küste spielenden Zwergwale.

Heute geht es nach Sydney, wo die Fähren nach Port-aux-Basques, Neufoundland, ablegen. Auf der sechs-stündigen Überfahrt, plaudern wir ein wenig mit einem kanadischen Truck-Fahrer, der Toyotas auf die Insel bringt. Er meint, dass die Wirtschaft im Moment nicht so rosig sei. Die Arbeitslosenrate ist etwa 20 % und somit die höchste in ganz Kanada. Viele tausend Küstenfischer mussten im Jahre 2002 den Fang nach Kabeljau total einstellen. Im Jahre 1968 erreichte der Fang mit Kabeljau eine Spitzenmenge von 810'000 Tonnen - aber 85% davon gingen in die Netzt nicht-kanadischer Schiffe. Erst als 1975 nur noch 287'00 Tonnen eingebracht wurde, wachte man auf und reduzierte die Küstenfischerei. Doch um den Kabeljau steht es immer noch schlecht. Nachdem die Bestände sich innerhalb von 30 Jahen um 97% reduziert haben und eine Erholung weitgehend ausblieb, musste man den Fisch auf die Liste der gefährdeten Arten nehmen.

Nach einer angenehmen Fahrt, ohne grossen Wellengang und bei strahlend blauem Himmel, sehen wir erstmals den Küstenabschnitt von Neufundland. Die Hügel sind allesamt noch schneebedeckt. Das sieht noch nicht nach einem warmen Frühlingsanfang aus!