Reisebericht 28 / Quito - Vilcabamba / 25. September 2010 - 19. Oktober 2010 / km 58'400 - km 59'600

Reiseroute: Quito, Machachi, Sigchos, Laguna Quilotoa, Banios, Puyo, Macas, Guamote, Guayaquil, Manta, Guayaquil,
Cuenca, Vilcabamba, Zumba (Grenze nach Peru)

Strasse der Vulkane

Zurück in Quito können wir unseren Suri wohlbehalten in die Arme schliessen. Etliche Male hatten wir uns in den vergangenen Tagen auf Galapagos Gedanken gemacht. Hoffentlich ist der Parkplatz sicher? Versuchte jemand einzubrechen?
Doch unsere Sorgen waren unbegründet. Er steht da als will er uns sagen: "Endlich seit ihr zurück! Wo seit ihr nur so lange geblieben? Seigt ein und lass uns abfahren zu neuen Abenteuer."
Nur zu gerne steigen wir ein, starten den Motor und ab geht es südwärts auf der "Strasse der Vulkane".

Sierra wird die Bergregion Ecuadors genannt und nicht nur für begeisterte Alpinisten hat diese Region viel zu bieten. Im Vergleich zur kulturreichen, kolonialstadt Quito, ist diese Hochlandregion eher ärmlich, da es das Klima für die Bauern schwer macht, grosse Erträge zu erzielen. Gerade aber in den Dörfern lebt ein grosser Teil der Bevölkerung von der Landwirtschaft. Viele Leute versuchen deswegen in der Stadt ihr Glück, was dazu führt, dass Quito sich fast explosionsartig vergrössert hat.

Eine holprige Schotterstrasse führt uns über Sigchos zur über 4000 m Hoch gelegenen "Laguna Quilotoa". Es hat an der Lagune in der Vergangenheit wiederholt Überfälle auf Touristen gegeben. Nun wird die Gegend überwacht und die Lage hat sich anscheinend entspannt.
Direkt am Kraterrand dieses Vulkansees können wir unseren Suri parken und starten schon früh am nächsten Tag zu Wanderung um den See.
Diese Krater-Tour ist eine der schönsten Hochgebirgs-Wanderungen in Ecuador, wenn nicht in ganz Südamerika. Schaut man nach links glitzert der smaragd-grüne, schweflige Kratersee, etwa 400 Meter unter uns. Schauen wir nach rechts wechselt das Panorama von hochgebirgs Ackerflächen, die wie eine Patchwork Decke die Andenlandschaft bedecken und der Sicht auf die schneebedeckten Vulkane Cotopaxi und Chimborazo, der mit 6310 m der höchste Berg Ecuadors ist.

Nach den kühlen Bergregionen Ecuador möchten wir wieder Tropenluft schnuppern. So fahren wir als erstes nach Banios, das für seine warmen Thermalquellen bekannt ist.
Am Fusse des aktiven Vulkans "Tungurahua", der letztes Mal vor 10 Jahren ausgebrochen ist, stürzen wir uns in die milchig grüne Suppe des Thermalbades "Piscina de la Virgine", zusammen mit etlichen Einheimischen. Es fühlt sich alles andere als hygienisch an, aber anscheinend soll es gesund sein. Ansonsten gefällt es uns hier nicht . Zu viele Touristen, Hostels und Touranbieter.

Spektakulär ist jedoch die Fahrt in den Oriente, jenes Gebiet östlich der Cordillera Central. Auf der zweistündigen Fahrt in das Amazonasbecken wechselt sich das Vegetationsbild schnell. Wir durchqueren den tiefen Canyon, den der Rio Pastaza ausgefressen hat und bestaunen die hohen Wasserfälle, die in die Schlucht stürzen.

Eine kleine Bahn, die eher einem offenen Kanichenstall ähnelt, bringt uns über den tosenden Fluss an die andere Seite der Schlucht. Hier machen wir ein paar schöne Spaziergänge zu den Wasserfällen und kaufen unser heutiges Nachtessen von den "Campesinos", den hiesigen Kleinbauern, die hier Forellen züchten.

Vorbei an grosswüchsigen Farnen, Bromelien und blühenden Bäumen, erreichen wir die Stadt Puyo, die am Rande des Amazonasbeckens liegt. Hier leben die "Shuar" Indianer, die es als vielleicht einzige Gruppe aller Indigenas in Ecuador verstanden haben, ihre Unabhängigkeit weitgehend zu erhalten.
Erst den Salesianerpriestern gelang es gegen Ende des 19. Jahrhunderts, die kulturelle Unabhängigkeit aufzuweichen. Zuvor waren die Shuar Kannibalen und frassen mit Vorliebe das Fleisch ihresgleichen. Den Kopf des getöteten Feindes wurde eingeschrumpft, so dass er für alle sichtbar am Gürtel des tapferen, siegreichen Kriegers baumeln konnte. Das Gehirn wurde genüsslich ausgelöffelt und der Rest im Ofen geschmort je nach Geschmacksrichtung, angebraten oder gut durch.

Wieder zurück auf das Hochplateau führt uns die Piste dicht am aktivsten Vulkan Südamerikas vorbei, dem 5230 m hohen Sangay. Dise attraktive Strecke ist grösstenteils noch unbefestigt und führt an wild zerklüfteten Landschaften vorbei.

50 km südlich von Riobamba machen wir einen Stopp in Guamote. Heute findet der Donnerstags Markt statt. Aus den umliegenden Dörfern kommen die Bewohner mit voll bepackten Eseln und Lamas über unwegsames Gelände aus allen nur erdenklichen Nachbarorten zum farbenfrohen Markt. Auf keinem andern Markt Ecuadors haben wir eine ursprünglichere Atmosphäre und eine solche Vielfalt an indianischen Trachten bestaunen können. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.

Brennende Strasse

Kurz nach Alausi stockt der Verkehr. Ich schalte den Motor aus und marschiere an den Anfang der langen LKW-Kolonne. Schon von weitem sehen wir die grosse, schwarze Rauchsäule. Mehrere Autopneu liegen brennend verstreut auf der Fahrspur, so dass an ein Weiterfahren nicht zu denken ist. Ich denke, wenigstens ist die Polizei hier, die wird sicher nächstens aufräumen. Doch falsch gedacht! Die Polizei ist der eigentliche Grund des Übels.
Wie im Gespräch zu entnehmen ist, demonstriert die Polizei landesweit mit Autoblockaden. Auf diese Weise möchten sie gegen eine geplante Lohnkürzung und die Streichung gewisser Privilegien demonstrieren. Auf Fragen meint der Ordenträger gleichgültig: "Die Blockade mit den brennenden Reiffen könnte den ganzen Tag gehen. Stellt euch auf ein paar Stunden Wartezeit ein."
Hier am steilen Berg möchten wir nicht warten und so wenden wir unseren Suri und fahren auf dem gleichen Weg wo wir gekommen sind zurück.
Doch schon nach einigen km das gleiche Bild. Brennende Autoreifen verhindern ein weiterkommen.
Nach langen Diskussionen mit dem Uniformierem, dass wir ja schliesslich nur Touristen sind und mit den Problemen hier im Land nicht das geringste zu tun hätten, fährt er das Polizeiauto von der Strasse und wir können zwischen den qualmenden Pneus hindurchfahren.

Lasst die Korken knallen

Nach einer unruhigen Nacht, wir fühlten uns in der Kiesgrube nahe der Stadt etwas unwohl, fahren wir vom Hochland an die Pacifikküste hinunter.
Hier wollen wir Fritz und Monika besuchen, die wir beim kiten in der Baja California kennengelernt haben. Doch zuerst gilt es noch den Kühlschrank zu reparieren, der vor 2 Tagen den Geist aufgegeben hat. Man schätzt dieses Gerät erst so richtig, wenn es nicht mehr funktioniert.
Doch wir finden in der Stadt Manta einen Kühlschrank-Spezialisten, der das Problem behebt und können unseren Sekt kühlstellen. Warum Sekt, fragt sich der Eine oder Andere?
Heute, am 3. Oktober werde ich ein halbes Jahrhundert alt! Wie schnell die Zeit doch vergeht! Es wird einem bewusst, dass der Tod näher ist als die Geburt. Doch wir beide sind uns einig, dass unser Weg der Richtige ist. Die wirklichen Reichtümer, die dem Leben einen Sinn geben, sind nicht materielle Besitztümer, die einem das Gefühl vorgaukeln, im Leben etwas erreicht zu haben, sondern dass man glücklich ist, mit dem was man hat.
Als ich zum Suri zurückkehre, leuchten mir schon von weitem die roten Luftballons entgegen, die rund ums Auto angebracht sind. Im Innern duftet es verführerisch nach einem selbstgebackenem Kuchen und am Abend verspeisen wir genüsslich ein halbes Rind beim Argentinier. Auch über 50 kann das Leben noch so schön sein!

Kiten in Santa Marianita

Fritz und Monika, die beiden ausgewanderten Österreicher, bewohnen schon seit 4 Jahren das "Kite Casa Austria" direkt an der Beach in Santa Marianita. Direkt neben ihrem Haus lassen wir unser Wohni stehen und verbringen ein paar gemütliche Tage mit ihnen. Tagsüber steht kiten auf dem Programm, das sich jedoch bei dem hohen Wellengang als nicht einfach erweist. Mehrmals werde ich in der Welle so richtig durchgewaschen, dass ich nicht mehr weiss, wo oben und unten ist.
Doch mit der Zeit geht es immer besser. Ich flitze über die mit Schaumkronen übersäte Oberfläche und geniesse das schwerelose gleiten von einem Wellental ins nächste. Hat es genug Wind, sind auch die beiden Kiteprofis Fritz und Monika auf dem Wasser anzutreffen.
Bei Flaute, was in dieser Woche ziemlich oft der Fall ist, beobachten wir die dicht vor der Küste vorbeischwimmenden Buckelwale auf ihrem Weg zur Arktis. Ein kleines Walbaby spielt dicht an der Seite seiner Mutter.

Aus anfänglich geplanten 3-4 Tagen wurden 10 Tage. Wir können uns einfach nicht losreissen von diesem herrlichem Flecken und verschieben immer wieder unseren Abreisethermin.
Doch heute geht es weiter. Wir verabschieden uns von unseren lieben österreichischen Freunden und fahren südwärts Richtung Puerto Lopez.

Die Strasse führt direkt der Küste entlang von einer Bucht zur nächsten. Die Vegetationsgegensätze sind beträchtlich. Ist eine Bucht noch knochentrocken, so findet sich auf dem nächsten Hügel bereits ein sattgrüner Bambuswald und wir fahren unter einem Dach von Palmenwedel. Noch selten haben wir solch klimatische Gegensätze auf so engem Raum gesehen.

Wir stoppen bei einem kleinen Fischerdorf. Jung und alt sind damit beschäftigt, direkt am Strand auf kleinen Holztischen die eben in grossen Mengen angelieferten Sardinen zu filetieren. Hunderte von Pelikanen, Tölpel, Fregattvögel und Möwen sind in Reichweite und hoffen, ebenfalls ein Stück Fisch zu ergattern.
"Wieviel kg möchtet ihr?" fragt uns der Fischer, während er weiterhin die Schuppen der noch zappelnden Fische abschabt. Für sFr. 1.50 erhalten wir einen Sack voll Fischfilet, die wahrscheinlich für mehrere Abendessen ausreichen.

Bei Salango, südlich von Puerto Lopez, sehen wir plötzlich ein Schild mit einer Schweizerfahne am Strassenrand. So wenden wir unseren Suri und fahren der kleinen Schotterstrasse entlang, die sich auf einen Hügel direkt am Meer schlängelt. Ein Schweizer hat hier vor einigen Jahren eine Bungalow Anlage terassenförmig in den Bergrücken gehauen. Ebenso hat es verschiedene Stellplätze für Zelt oder Wohnmobile. (GPS Daten unter Tipps)
Die Sicht von hier oben ist traumhaft. Kaum angekommen, sehen wir schon die ersten Buckelwale wie sie aus dem Wasser springen. Es ist immer wieder faszinierend, diese riesigen Säuger zu beobachten.

Montanita ist gesegnet mit den besten Surferwellen des Landes und gibt uns ein equadorianisches Ballermann-Feeling. Kneipen, Souvenirshops und jede Menge Schlabbershorts. Hier ist es uns zu touristisch und so ziehen wir nach einem Bananencocktail weiter und lassen die coolen Brandungs-Surfer hinter uns.

Immer wieder wurden wir gewarnt vor der 3 Millionen Stadt "Guayaquil" - sehr gefährlich, mörderischer Verkehr - und nun müssen wir quer durch die Grosstadt-Metropole. Bei einer Ampel fragt Ruth den neben uns stehenden Fahrer nach dem schnellsten Weg durch die Stadt und er meint nur: "Follow my!"
Wir haben Mühe, den Kontakt zu unserm "Führer" nicht zu verpassen. So rasen wir über eine 5-spurige Schnellstrasse, durch kleine Nebenstrassen und sind nach 30 Minuten sicher am andern Ende der Stadt angelangt.
Das war wieder ein typisch, equadorianisches Beispiel von Hilfsbereitschaft, das wir so viel im Land angetroffen haben.

Der Panamahut von Ecuador

Wir fahren durch das Hochland der westlichen Kordillere Richtung "Cajas" Nationalpark. Das gesamte Gebiet liegt oberhalb von 3000 m und neben unzähligen kleinen Teichen gibt es in dem Naturschutzgebiet mehr als 230 Lagunen. Der höchste Punkt auf unserer Strecke befindet sich auf 4100 m. Diese hochalpine Vegetationszone erinnert ein wenig an die kargen schweizer Alpenpässe.

Plötzlich staut sich der Verkehr. Diesmal ist es keine Strassenblockade der Polizei, sondern die Strasse wird frisch asphaltiert. Wir richten uns auf eine Stunde Wartezeit ein, machen einen Café und unterhalten uns mit den andern "Stauopfer".
Hinter uns befindet sich Giorgo, ein ausgewanderter protestantischer Priester aus dem Tessin. Er will mit seiner Frau ein paar Tage Ferien in Cuenca machen.

Auf meine Fragen meint er: "Ja, die Sicherheitslage hat sich in den letzten Jahren in der Millionenstadt Guayaquil merklich verschlechtert. Ich arbeite unter anderem im Sozialwesen der Grosstadt und habe viel mit Jugentlichen zu tun. Etliche haben wenig bis gar keine Perspektiven und fallen ab in die Drogenzene und Kriminalität. Leben möchten sie wie in Westeuropa oder in den USA, aber das nötige Kleingeld fehlt. So beschaffen sie es durch Überfälle oder Betrug. Waren ihre Attacken vor Jahren noch Entreissdiebstähle, halten sie heute einem das Messer an den Hals oder bedrohen dich mit der Pistole und haben auch keine Skrupel, davon Gebrauch zu machen. Wenn wir nur ein wenig mehr von der Ordnung, der Moral und Sauberkeit der Schweiz hätten, sehe alles viel besser aus. Aber ich bete täglich dafür und hoffe, dass es einmal besser wird."

Dieses Gespräch ging uns schon unter die Haut und es beweist einmal mehr, wie angenehm wir es in der Schweiz doch haben.

Cuenca ist die drittgrösste Stadt Ecuadors und dazu noch eine der reizvollsten. Wir promenieren über die kopfsteingepflasterten Strassen des alten Stadtkerns, vorbei an zahlreichen Kirchen und Wohnhäuser aus dem 16. und 17 Jahrhundert.

Viel haben wir gehört vom Panamahut, doch nun möchten wir sehen, wie er hergestellt wird. Hier in Cuenca ist das Zentrum der Manufaktur. Im "Museo del Sombrero" wird uns im Rahmen einer ausführlichen und kostenlosen Führung erklärt, wie Hüte geflochten und weiterverarbeitet werden. Über die Entstehung des Namens gibt es mehrere Therorien. So wurde er angeblich früher nur über Panama ausgeführt, oder nach einer anderen Darstellung haben Arbeiter und Ingenieure nach der Fertigstellung des Panamakanals einige Exemplare nach Europa eingeführt.
Der Hut wird von Hand aus feinem "Toquilla" Stroh geflochten und anschliessend durch Feuchtigkeit, Wärme und Druck in seine spezifische Form gedrückt. Je nach Faser kann die Herstellung sehr langwierig und aufwendig sein, sodass feinste Panama Hüte mehrere Tausend US-Dollar kosten können.

Obwohl schon Napoleon, Winston Churchill und Ernest Hemingway eine solche Kopfbedeckung getragen haben, kann ich mich nicht dazu hinreissen ebenfalls einen dementsprechenden Hut zu kaufen. Hutlos, aber nicht mutlos, fahren wir weiter in......

Das Dorf der 100-jährigen

In Vilcabamba, einem idyllischem Ort auf 1500 m, quartieren wir uns bei den zwei deutschen Brüdern auf dem Parkpatz ihres Hostels ein. Wissenschaftler wollen in einer Studie herausgefunden haben, dass von den 2000 Dorfeinwohnern mehr als 60 über 100 Jahre alt sind. Im statistischen Weltdurchschnitt erreit nur eine von fast 2 Millionen Personen dieses biblische Alter.
Auf meine Frauge nach dem Warum, meint der freundliche Bayer, der Besitzer des Hotels: "Wahrscheinlich liegt das am behaglichen Klima, der gesunden Arbeitsmoral, einer ernährungsbewussten Verpflegung und, was wahrscheinlich am ehesten zutrifft, unserem geschmackvollem, mineralhaltigen Wasser, das hier überall Trinkwasser Qualität aufweist."
Auf jeden Fall leeren wir am nächsten Tag unseren Wassertank und füllen ihn erneut mit Wasser von hier auf. Wer weiss, auf diese Weise können wir vielleicht unsere Lebenserwartung drastisch erhöhen.

Über eine halsbrecherische Rumpel- und Schlammpiste fahren wir Richtung peruanische Grenze. Wir sind gespannt, was uns dieses Andenland, das reich an indigener Geschichte ist, bringen wird.

P.S. Wir freuen uns jedesmal riesig, über einen Kommentar von Euch!