Reisebericht 45 / Rio de Janeiro - Pomerode / 9. Juli 2012 - 5. August 2012 / 110'800 km -113'200 km

Reiseroute: Rio de Janeiro, Arraial do Cabo, Cabo Frio, Buzios, Macaé, Marataizes, Pluma, Anchieta, (von hier wieder zurück), Rio de Janeiro, Tarituba, Trinidade, Santos, Curitiba, Joinville, Pomerode

Nach einem nicht ganz unfreiwilligem Heimurlaub, sind wir wieder zurück in Brasilien. Beim Flughafen in Rio werden wir von Anke und Thomas freudestrahlend empfangen. Da unsere 3-monatige, temporäre Einfuhrbewilligung für unser Wohni in Kürze abläuft, machen wir uns als erstes zum zuständigen Zollamt auf, zum "Receite Federal", um dieses Schreiben um weitere 3 Monate zu verlängern.
Leider ist die zuständige Dame erst in einer Stunde anwesend und so beschliessen wir, erstmals ausgiebig zu brunchen. So packen wir Campingstühle aus, nehmen das knusprige Ruchbrot aus den Rucksäcken, belegen es mit Schweizer Käse und Malbuner Trockenfleisch und geniessen inmitten einer Verkehrsinsel, wo uns der lärmige Lastwagenverkehr von links und rechts um die Ohren braust, diese heimischen Leckereien. Nach monatelanger Abstinenz ist es vor allem für Tom und Anke ein genüsslicher Festschmaus.

Die Beamin ist äusserst freundlich und zuvorkommend und eine Stunde später sind wir im Besitz der Zolldokumente. Hätte das nicht geklappt, so hätten wir schnellstmöglich ausser Landes fahren müssen um einer grossen Busse oder sogar einer Enteignung des Fahrzeuges zu entgehen.
Vor 6 Wochen haben wir unseren Suri 50 km südlich von Rio auf einem Camping eingestellt und nun nehmen wir ihn glücklich und unversehrt in die Arme.

Als nächstes ist der Besuch der Christusstatue auf dem Corcovado angesagt. Wir fahren mit dem Wohni ganz hinauf, wo der steinerne Redentor schützend seine Hände über die Metropole hält, die er kaum noch fassen kann.
Ohne den Sockel ist die Christusstatue auf dem Corcovado 30 m Hoch und seine ausgestreckten Arme erreichen eine Länge von 28 m. Dieser ultimative Rundumblick auf die Stadt, die Strände und den Zuckerhut, ist einer der schönsten Panoramablicke, die man sich vorstellen kann. Getrübt wird dieses Idyll nur von den unzähligen Menschenmassen, die ebenfalls einen unvergesslichen Blick über die Stadt erhaschen wollen. Doch glücklicherweise gibt es einen Alternativ-Aussichtspunkt bei "Dona Marta". Der Blick ist fast der gleiche, aber ohne den touristischen Rummel beim Christus.
Auf jeden Fall ziehen wir diesen ruhigen Ort vor und schiessen bei optimalen Lichtverhätnissen am späten Nachmittag etliche traumhafte Bilder. Rio ist eine der schönsten Grossstädte Südamerikas. Nicht unbedingt im architektonischem Sinn, denn ein Grossteil der aten Häuser wurde abgerissen, oder der Putz bröckelt von den maroden Fassaden, nein, einfach die tolle Lage, inmitten der mit Wald überwucherten Hügel und den tollen Stränden geben ihr den unvergleichlichen Charm.

Nach einer weiteren Nacht auf dem Parkplatz des Zuckerhutes, fahren wir durch den morgendlichen Stossverkehr zu viert Richtung "Cabo Frio". Kurz vor "Arraial de Cabo" biegen wir kurz entschlossen links ab und verbringen ein paar gemütliche Tage direkt an der tobenden Brandung und geniessen den strahlend weissen Sand.
Am zweiten Tag machen wir Bekanntschaft mit einem Einheimischen. Wir unterhalten uns ein wenig und kurz darauf kommt er zurück mit 4 Caipirinhas. So lässt es sich leben!

Weiter fahren wir der Küstenstrasse entlang, wo sich die farbig bemalten Backsteinhäuschen wie Kletten aneinander reihen. Die wenigsten sind dauerhaft bewohnt, fast alle werden nur als Sommersitz genutzt und manche vermietet. Hier ist nur, wer hierher gehört.

Doch schon ein paar km nördlich befindet sich der mondänste Badeort Brasiliens, Buzios. Hier gibt es Sun, Beach, Nightlife und Action in Überfülle, doch das einzige Problem ist, alles geht sehr schnell ins Geld.
Internationale Bekanntheit erlangte der Ort durch Brigitte Bardot, die sich 1964 für mehrere Monate hier einquartiert hatte. Anschliessend kam der ganze Jetset, darunter Pelé, Giselle Bündchen, Nina Hagen, Mick Jagger, Bill Gates, die Surris usw. Die Bewohner der Halbinsel leben heute fast ausschliesslich vom Tourismus. Trotz des Zulaufs ist Buzios nicht zu einem Massentourismusziehl mit hochgeschossigen Hotel- und Bettenburgen geworden. Die Höhe der Häuser darf zwei Stockwerke nicht überschreiten und an vielen Stränden darf nur wenig gebaut werden. So finden wir doch noch reizvolle Landschaften und ruhige Strände mit klarem Wasser, das zum baden einlädt.
3 Tage verbringen wir auf dieser Halbinsel, das brasilianische "Saint Tropez" und mischen uns unter die hiesige "Servalat-Prominenz".
Auf dem überteuerten Capingplatz bleiben wir nur eine Nacht, die übrigen Nächte stellen wir uns an die Strände. Tagsüber flanieren wir durch das gemütliche Städchen, machen eine Bootsfahrt zur nahegelegenen "Praia Tartaruga", oder begutachten mit einem Caipiriha in der Hand die brasilianischen Strandschönheiten, wie sie mit ihrem Hauch von Bikini hüftschwankend am Strand entlang schlendern.
Das Wellenrauschen ist allgegenwärtig und die Luft riecht nach Salz und Sonnencrème.

Eine Tagesreise nördlich befindet sich das kleine Küstenörtchen "Anchieta". An sich nichts besonderes, wenn hier nicht das kleine aber feine "Swiss Hotel" vom Aargauer Patrick wäre, das er zusammen mit seiner brasilianischen Frau Paola betreibt. Wir werden herzlich begrüsst und dürfen vor den Toren seines Hotels campieren, Meeresblick inbegriffen.
Da im Moment keine Saison herrscht, wir befinden uns im brasilianischen Winter, hat er Zeit, uns ein wenig seiner Stadt zu zeigen.
Als erstes holen wir seinen Sohn von der Schule ab. Diese geballte Schweizer Präsenz veranlasst die Direktorin, uns sogleich die ganze Schule zu zeigen. Neugierig werden wir in jedem Schulzimmer beäugt, als uns die Direktorin mit folgenden Worten vorstellt: "Dieses Schweizerpaar kommt extra mit dem Wohnmobil von Alaska nach Brasilien, um diese Schule zu inspizieren". Da wird es immer ruhiger und die dunklen Kulleraugen immer grösser.
Die Direktorin meint: "Walter, halt doch eine kleine Rede vor der Klasse"!
Jetzt werden meine Augen immer grösser! Da mein Potugiesisch immer noch ein kärgliches Schattendasein fristet und die Schüler weder Englisch noch Spanisch verstehen, sage ich ein paar Worte im schönsten Nidwalder "Dütsch" zu den anwesenden Schülern.
Gespannt hören sie meinen Worten, es könnte auch ein Marsmensch zu ihnen sprechen, doch zum Schluss werde ich mit Applaus verabschiedet.
Auf unsere zahlreichen Fragen meint die Direktorin: "Nein, mit Drogen haben wir auf unserer Schule fast keine Probleme. Wer dennoch kifft, fliegt sofort von der Schule. Das weiss jeder und darum halten sich die meisten daran. Auch Pünktlichkeit wird gross geschrieben. Wer zu spät eintrifft, dem wird vor verschlossener Türe der Einlass verwehrt. Es braucht einfach harte Massnahmen, aber der Erfolg gibt uns recht."

Paola, unere liebe Gastgeberin meint auf die Fragen von Ruth: "Was ist eingentlich der grösste Unterschied von uns Schweizern zu Euch Brasilianern"?
"Die Brasilianer sind viel spontaner. Ladet man zum Beispiel ein befreundetes Paar zum Nachtessen ein, muss man damit rechnen, dass Sie auch noch Ihre Eltern, Kinder, Freunde oder den Gärtner mitnehmen. Das heisst der Kühlschrank muss immer voll sein, damit man bei solchen Überraschungen gewappnet ist."

Auf meine Fragen meint Patrick: "Die Steuern werden in Brasilien nicht auf das Einkommen berechnet , sondern auf die Ausgaben. Das heisst bei mir, auf die Löhne und sonstige Investitionen muss ich die Steuern bezahlen. Zusätzlich werden auf Wasser und Elektrizität Steuern erhoben. Der Mindestlohn wurde nun auf 620 Reales hinaufgesetzt, das sind etwa 300 sFr. 90% der Brasilianer leben mit diesem Einkommen. Die restlichen 10%, das sind die gut ausgebildeten, verdienen im boomenden Brasilien wie in Europa, so zwischen 4000.- und 6000.- sFr. und mehr. Dazwischen ist eine grosse Kluft, die immer wieder für grossen, sozialen Zündstoff sorgt, da einfach die Mittelschicht fehlt. Dafür ist das Gesundheitswesen umsonst. Jeder Brasilianer hat ein Anrecht auf eine medizinische Grundversorgung und der Standart der öffentlichen Krankenhäuser ist gar nicht so schlecht."

Patrick hat noch Schweizer Mehl in der Küchen. Dieses wird in einen feinen, Schweizer Butterzopf verwandelt, den alle genüsslich mampfen. Aber nicht nur wir geniessen das heimische Brot, denn in der Zwischenzeit haben sich noch Anke und Tom beim Swiss Hotel eingefunden, die beim Verzehr auch tüchtig mithelfen.

Nun trennen sich unsere Wege. Anke und Tom fahren Richtung Bolivien und wir müssen schweren Herzens langsam die Rückreise antreten, wollen wir das Schiff nicht verpassen.
Ja, das mit dem Frachtschiff ist so eine Sache. Anfänglich haben wir für den 31. August die Rückreise mit der Grimaldi von Buenos Aires nach Hamburg gebucht. Kaum bestätigt, wurde alles wieder über den Haufen geworfen. Grimaldi hat seine Fahrplände total neu organisiert und in letzter Zeit wussten wir nicht einmal, ob wir überhaupt zurück können. Einmal hiess es, Grimaldi laufe Buenos Aires nicht mehr an, sondern nur noch Zarate und, dann wieder, Grimaldi nimmt keine Passagiere mehr mit. Das einzig sichere war, das alles unsicher ist. Eben haben wir ein Mail bekomme, dass wir definitiv von Montevideo, Uruguay, gegen Ende des Monats August, nach Hamburg verschiffen können. Das ist der Grund, dass wir nun langsam gegen Süden, Richtung Uruguay fahren.

Als wir das erste Mal die brasilianische Grenze überschritten haben, träumten wir noch von strahlend blauem Himmel, schwerbehangenen Kokospalmen die sich über einen leuchtend blauen Ozean in der leichten Abendbrise wiegen und angenehmen Badetemperaturen. Tatsache ist, diese Bilderbuchstrände sind dünn gesät und sollten sie einmal vorhanden sein, ist das Wetter meistens trüb und regnerisch. Die schönsten Strände haben wir definitiv im südlichen Mexico, in Yucatan gefunden. Dafür machen es die liebenswerten Menschen mehr als wett. Die Brasilianer sind sehr kontaktfreudig und hilfsbereit, wenn nur die Sprachbarriere nicht wäre!

Zum 3. Mal übernachten wir jetzt auf dem Parkplatz des Zucherhutes in Rio. Nach der letzten Schlafstelle auf der Tankstelle neben der Autobahn, wo uns die LKW's um die Ohren flitzten, ist es hier idyllisch ruhig. Doch knapp vor Mitternacht werden wir aus unseren Träumen gerissen. Eine Sambaband hat sich nicht weit von unserem Wohni formiert und die Musiker spielen in voller Lautstärke ihr ganzes Repertoire. Auf meine Frage, wie lange das Ganze wohl geht, meinen sie, bis die Zuschauer kalt bekommen. Aber so wie die Gäste mitmachen, mit klatschen, singen und tanzen, kann das noch lange gehen. Wir sind eben in Brasilien!


Happy birhtday to you, happy birthday to you, happy birthday liäbi Ruuuth, happy birthday to you. Wer hat heute Geburtstag? Richtig geraten, meine liebe Frau und Reisegefährtin. Das ist nun der 4. Geburtstag von Ruth, den wir auf unserer grossen Reise feiern. Wie schnell die Zeit doch vergeht.
Zum Frühstück wird sie mit einem feinen Butterzopf verwöhnt, der in Ermangelung von Hefe mit Backpulver gebacken wird und einer feinen Gemüseomelette. Den Restaurantbesuch sparen wir uns für die nächsten Tage auf, da wir seit drei Tagen an einem abgelegenen, kleinen Traumstrand unter Palmen stehen. Das Meer ist ruhig und lädt zum morgentlichen schwimmen und langen Strandspaziergängen ein. Es gibt sie also doch noch, die sogenannten Traumstrände!
Einen weiteren finden wir südlich von Paraty, beim kleinen Fischerdorf Trinidade. 5 Strände können wir zu Fuss, über einen grünen Wanderpfad erreichen. Die hinterste, die "Praia da Figueira", ist ein mit Felsen umsäumtes Wasserbecken, in dem man wie in einer Badewanne liegen kann.

Nach so viel Strandleben ist wieder einmal der Besuch einer Grossstadt angesagt. Mit 1,8 Mill. Einwohner ist Curitiba die Metropole mit der höchsten Lebensqualität. Spezialbusse, die sogenannten "Linha Turismo", verkehren zwischen den wichtigsten Bauwerken und den 26 Parks. So können wir an einer beliebigen Haltestelle zu- und aussteigen. Dies ist eine komfortable Möglichkeit, Curitiba kennenzulernen. Die Highlights sind aber zweifelsohne das Museum "Oscar Niemeyer", das aufgrund seiner Form das Auge genannt wird und die "Rua 15 de Novembre", Brasiliens erste Fussgängerzone.
Hier zeigt sich einmal mehr wie überall in den Grossstädten! Marken sind grossartig, Luxus ist grossartig! Besitzt man nicht genau diese Tasche, so ist man nicht fähig, durch die Strassen zu spazieren. Doch ist es genau das, was das Leben so lebensfähig macht?
Jeder soll selber entscheiden.

Wir nähern uns Pomerode, der "deutschesten Stadt Brasiliens". Ein Roller Fahrer hält bei einem Rotlicht neben uns, klappt das Visier hoch und spricht uns an: "Hallo, wohin des Weges?"
Kurze Zeit später befinden wir uns im Vorgarten seines bescheidenen Hauses. Hier lebt er zusammen mit seiner zukünftigen Frau, wo er seine gebrechlichen Grosseltern pflegt und geht nebenbei zur Uni. Die ganze Familie spricht ein für uns schwer verständliches "Plattdeutsch". Diese westgermanische Sprache, die sich aus dem Altsächsischen entwickelt hat, war früher im Osten der Niederlande weit verbreitet und nun in dieser Gegend als zweite Landessprache etabliert.
So erzählen uns die Grosseltern vom früheren, harten und entbehrungsreichen Leben der ersten Einwanderer und anschliessend besuchen wir die nahegelegene Primarschule, wo ebenfalls ein paar der Kinder noch Plattdeutsch sprechen. Mit der Schuldirektorin klappern wir die veschiedenen Schulzimmer ab und die Kleinen ABC Schützen stellen uns Fragen über die Schweiz und unsere Reise, wobei die Lehrerinnen als Dolmetscher fungieren.

Langsam knurrt der Magen. Wir fahren weiter an gepflegten Vorgärten und norddeutschen Fachwerkthäusern entlang, bis zum "Torten Paradies". Direkt im Zentrum von Pomerode liegt dieses traditionsreiche Café, wo der Name eigentlich für sich selber spricht.
Ein riesen Buffet türmt sich vor unseren Augen auf, angereichert mit allerei Süssem und Kaloriehaltigem. Doch wir können (und wollen) nicht wiederstehen! Am Schluss wird einfach der überfüllte Teller gewogen und so abgerechnet. (Besser der Teller als die Person!)

Am Abend stellen wir uns neben das abgelegene, etwas erhöht gelegene Hotel "Bergblick", das ebenso gut im Südtirol beheimatet sein könnte. Nach einem kühlen Bier im Restaurant "Schornstein", geniessen wir hier die abendliche Ruhe, nach den letzten zwei lauten Autobahn-Tankstellen Übernachtungsplätzen.

Als nächstes wird uns die Fahrt ins südliche Brasilien und nach Uruguay führen, von wo wir Ende Monat die Verschiffung in die Schweiz gebucht haben.

Aber das im nächsten Bericht.

Mit herzlichen Grüssen
Ruth und Walter