Reisebericht 07 / Sary Tas (südost Kirgistan) - Karkura (nordöstlich von Karakol)/ 8. Juni 2014 - 23. Juni 2014

Kilometerstand: 16'400km

Reiseroute: Sary Tas, Osh, Lake Papan, Zafal Abad, Kazarmann, Song Köl Lake, Kadzi-Saj, Ysyk-Köl Lake, Jeti-Öghüz, Karakol, Karkura

Strassensperre

Schon vor 2 Wochen haben wir von einer Strassensperre Richtung Osh gehört. In "Sary Tas" sprechen wir mit 3 Engländern, die mit Motorrädern unterwegs sind. Sie bestätigen, was wir befürchtet haben: "Ja, die Strasse nach Osh ist immer noch gesperrt. Wenn ihr Glück habt, könnt ihr die Umfahrung durch das Flussbett nehmen. Dazu ist aber ein 4x4 erforderlich. Der Bürgermeister von "Terek" wurde wegen Korruption zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Seine Freunde und die Bürger von Terek waren mit diesem Urteil nicht einverstanden und so blockierten sie vor über 2 Wochen die Strasse mit Erdwällen und Felsblöcken. Wir mit unseren Maschinen konnten die Umfahrung nehmen und die Leute halfen uns noch beim Schieben."
Wir sind immer noch mit Anja und Stefan zusammen und beschliessen, vorerst ein paar Tage ins "Arka Alaj" Tal zu fahren und abzuwarten, ob sich die Sperre auflöst, denn eine Umfahrung ist nicht möglich.
Das Arka Alay Tal befindet sich abgeschieden auf knapp unter 3000 Meter. Wir platzieren unsere Wohnmobile an einem klaren Fluss in der Nähe des Dorfes "Kaska Suy" und waschen endlich einmal die aufgestaute Wäsche der letzten Wochen, denn die meisten Seen in Tadschikistan waren Salzseen. In dieses Tal verirren sich kaum westliche Touristen und so dauert es nicht lange, bis wir Besuch bekommen. Ein Junge vom Dorf kommt auf seinem Hengst angeritten und fragt mich, ob ich gerne eine Runde auf seinem Pferd reiten möchte. "Natürlich", ist meine Antwort und kurz darauf bin ich im Sattel und mache eine erste Runde im kirgisischen Pferdesattel (siehe Foto).

Kirgistan ist ein ausgesprochenes Gebirgsland und etwa 4x so gross wie die Schweiz. 80% des Territoriums liegt höher als 1500 m und fast die Hälfte über 3000 m. Wir Schweizer Bergler fühlen uns in diesem gebirgigen Land wie zu Hause.
Schon vor Jahrhunderten wanderten die Kirgisen mit ihren unzähligen Pferde- und Schafherden durch die Täler und über das Gebirge auf der Suche nach guten Weideplätzen.
An den Hängen sehen wir ihre Jurten, die runden, gitterförmigen, zusammenlegbaren Holzgestelle mit einem kuppelförmigen Oberteil, über die wasserabweisende Filzdecken gezogen werden. Im Innern hängen Sattel- und Saumzeug, sowie Schläuche mit "Kumis", der vergorenen Stutenmilch, das so etwas wie das Nationalgetränk ist.
Nach wie vor sind die Jurten als Sommerbehausung sehr beliebt, während in den kalten Wintermonaten die Hirten und Bauern die ländlichen Siedlungen im Tiefland aufsuchen.

Unsere Hoffnung wird zerschlagen, als wir Tage später an der Strassenblockade stehen. Von Auflösung keine Spur. Im Gegenteil, die Sperrung hat sich in der Zwischenzeit als richtiges Volksfest entwickelt. Vor der mit allerlei Geröll überdeckten Strasse sind etliche Jurten mitten auf der Strasse aufgestellt. Ein Sänger sorgt für Unterhaltung und eine grosse Garküche versorgt die Streikenden mit Suppe und "Saschlik". Mit Hilfe eines Englischsprechenden Kirgisen, suchen wir den Chef der Streikblockade auf. Der bullige, in Militär Uniform gekleidete Anführer meint: "Für euch mache ich eine Ausnahme. Normal dürfen nur Ambulanz Fahrzeuge die Blockade umgehen aber ihr als Touristen könnt die Umfahrung nehmen."

Das tönt einfacher als getan, denn die Umfahrung geht steil über das Strassenbord in das Bachbett hinunter, den Fluss entlang und nach etwa 200 m über die glitschige Böschung wieder zur Hauptstrasse hinauf. Wollen wir nicht wie die 200 Fahrzeuge vor der Blockade über unbestimmte Zeit festsitzen, müssen wir die knifflige Aufgabe sofort angehen, bevor der Chef es sich anders überlegt. Als Erstes überholen wir die vielen Fahrzeuge, die schon seit Wochen festsitzen und fahren langsam in der Untersetzung die Böschung hinunter. Dutzende von Augenpaaren beobachten das Schauspiel, denn seit langer Zeit durfte kein Auto mehr die Blockade umfahren. Das Gefährliche an der ganzen Sache ist die Schräglage. Wenn unser Suri in der steilen Abfahrt ins Rutschen und danach ins Trudeln gerät, könnte er kippen. Ich nehme noch die letzten Steine weg, Ruth hebt das Elektrokabel über das Wohni, mit dem die Lautsprecher der Streikenden mit Strom versorgt werden und dann geht es los. Die Lautsprecher verstummen und die ganzen Leute sind um uns versammelt und wollen dabei sein, falls den Touristen das Auto umkippt. Mit schweissnassen Händen fahre ich langsam über die Strassenkante, lasse die Nase des Suri über die Böschung kippen und fahre in gefährlicher Schräglage sehr, sehr langsam die steile Böschung zum Fluss hinunter. Wir sind erleichtert, alles geht gut und mir fällt ein Stein vom Herzen. Jetzt müssen wir nur noch das steinige Bachbett durchfahren, die Böschung hinauf und dann haben wir es geschafft. Hurra, wir sind auf der anderen Seite und können die Fahrt nach Osh fortsetzen. Kurz zuvor haben wir noch westliche Touristen kennengelernt, die eine dreiwöchige Tour gebucht haben. Diese mussten vor der Sperre das Fahrzeug verlassen, mit Sack um Pack über die Barrikaden kraxeln und auf der anderen Seite in einen anderen Minibus umsteigen. Das wäre für uns ein unmögliches Unterfangen gewesen. Aber eben, wir sind drüben!

Langsam nähern wir uns dem Tiefland von Osh, dem östlichen Ausläufer des Ferganatales. Der grösste Teil des Tales befindet sich eigentlich auf usbekischer Seite und nur ein kleiner Teil wurde nach dem Zusammenbruch der Sowjetrepublik Kirgistan zugeordnet.
Das Ferganatal ist eigentlich eine riesige Oase, eine Hochebene, die halb so gross ist wie die Schweiz. Die natürlichen Grenzen bilden im Norden der Tien-Schan, im Osten die Ferganakette und im Süden die Pamir Alay-Kette. Dank einem engmaschigen Kanalnetz kann das Ferganatal optimal bewässert werden und hat die fruchtbarste Erde Zentralasiens. Die kleinen Marktstände entlang der Strasse biegen sich unter der Last der vielen Obst und Gemüsesorten. Hier kaufen wir die Besten und Süssesten Melonen der Welt. Einfach Köstlich.

Elektrische Probleme

Schon seit langem haben wir ein Problem mit einer Solarzelle. Für die Stromversorgung haben wir 2 verschieden grosse Solarzellen auf dem Dach. Die Kleine 100 Watt Anlage liefert einwandfrei Strom zu unserer Bord Batterie, aber die Grosse, die 160 Watt Anlage, liefert zwar Strom bis zum Solarregler, aber dort wird er nicht mehr weiter transportiert.
Nach etlichen Emails mit der Heimat entscheiden wir, dass uns ein neuer Solarregler geschickt wird. Ursprünglich wollten wir diesen in die Mongolei schicken lassen, aber da ein Kunde von MuzToo Travel in nächster Zeit nach Osh reist, benützen wir die Chance, ihm Diesen mitzugeben. Bei dieser Gelegenheit ein herzliches Dankeschön an das Home Office Peter Scherer und den "Transporteur" Werner Hunziker. Auf den letzten Drücker konnte Werner am Flughafen abgefangen und ihm den Regler in die Hand gedrückt werden.

Nun ist er eingebaut und wir haben wieder Strom im Überfluss. Wie dieses Beispiel zeigt, gibt es auf einer längeren Reise immer etwas zu tun. Wer denkt, Langzeitreisen sei Erholung pur, der gehört ins Land der Träume. Mal sind es technische Probleme, dann gesundheitliche wie ein Zahnarztbesuch, oder nervige Diskussionen mit Polizei und Einreisebehörde.
Aber die positiven Aspekte überwiegen bei weitem und darum empfehlen wir allen, seine Träume zu verwirklichen und nicht aufzuschieben, bis es zu spät ist.


Jetzt bin ich vom Thema abgekommen. Wo war ich, genau, bei MuzToo Travel. Hier vor ihrer Werkstatt stehen wir seit 2 Tagen. Diese kleine Firma hat sich auf Motorradreisen spezialisiert. Sie bietet mehrwöchige, geführte Motorradtouren durch Kirgistan, Tadschikistan oder China an. Die Maschinen sind hervorragend gewartet und die Leute vor Ort verstehen ihr Handwerk.
Hier ihre Adresse falls ihr mal spezielle Ferien machen wollt: www.muztoo.com

Das kirgisische Gebirgsland

Nach der vielen Fahrerei der letzten 2 Wochen, wollen wir einige Tage ausspannen. Dafür haben wir uns den Papan Lake ausgesucht, der nur ein paar Stunden von Osh entfernt ist. Vom See selber sind wir ein wenig enttäuscht, da es ein Stausee ist, aber der Zufluss ist herrlich. Endlich wieder fettes Gras, blühende Blumen und Bäume. Es tut richtig gut nach der vegetationslosen Zeit in Tadschikistan. Wir geniessen es an einem gluckernden Bach zu sitzen, den Vögeln zuzuschauen und wieder mal die Wäsche zu waschen.
Es dauert nicht lange und der Besitzer des Grundstückes taucht bei uns auf. Im Schlepptau seine Kinder und ein paar Fohlen. Er meint: "Kommt doch später zu uns hoch für einen Chai".
Gegen Abend gehen wir mit einem Gastgeschenk zu der Bauernfamilie, die weit oben im Hang ein kleines Anwesen hat. Die Frauen sind beschäftigt mit dem Formen von Kugeln aus Geissenmilch-Ziger, die sie anschliessend zum Trocknen auf ein Holzgestell legen.
Die Töchter des Hauses bringen uns (leider) keinen The, sondern das Nationalgetränk "Kumis", die vergorene Stutenmilch. Die Kirgisen lieben dieses Getränk, das für uns wie saure Milch und ranzige Butter schmeckt. Wir nippen am Glas, sagen wir fein es schmeckt, aber unser Gesichtsausdruck vermittelt eine ganz andere Sprache. Ich glaube, kein Westeuropäer würde dieses Getränk mögen.
Wir erfinden immer neue Ausreden, warum wir nicht herzhaft mittrinken, gilt es doch als Zeichen der Gastfreundschaft, die Gäste mit Kumis zu verwöhnen.
Der Kumis, der Wein der Nomaden, wird in zugenähte Ziegenhaut abgefüllt, in der sie langsam zu gären beginnt. Am ersten Tag riecht sie ein wenig
sauer. Am zweiten ist die Fermentierung weit fortgeschritten und die Milch perlt ein wenig wie Schaumwein auf der Zunge.
Dazu tischen sie frisches Fladenbrot auf mit einer feinen Rahmbutter. Wie so viele Bauernfamilien lebt auch diese sehr spartanisch. Auf kleinstem Raum leben, kochen und schlafen sie zusammen in einem winzigen Lehmziegelhaus. Trotzdem sind die Menschen hier sehr nett und Gastfreundschaft ist für sie etwas Selbstverständliches.
Für solche Fälle haben wir immer unser Fotobuch zur Hand. Wenn es an der Kommunikation hapert, zeigen wir ihnen die Bilder aus unserer Heimat. Sehr interessiert beäugt die ganze Schar unser Zuhause in Seelisberg, unsere Familie und sonstige Fotos aus der schönen Schweiz.
Landschaftlich gesehen hat Kirgistan viel mit der Schweiz gemeinsam. Grüne Hänge, fette Murmeltiere und impossante, schneebedeckte Berge. Nur der Lebensstandart ist wesentlich geringer.

Zum Herzen Kirgistans, dem über 3'000 m hoch gelegenen Gebirgssee "Song-Köl".

Um ins Herzen Kirgistans zu gelangen fährt man entweder entlang der asphaltierte Strasse über Toktogul oder man nimmt die Erdpiste von Zalal-Abad über den 3062 m hohen "Kadama Pass" nach Kazarman und Ak-Tal.
Wir entscheiden uns für die zweite Variante, da wir nach 2 Tagen Grosstadt uns schon zu sehr über den Verkehr und den Strassenlärm geärgert haben. Diese Route ist zwar bedeutend länger, verspricht aber Natur pur.
Doch schon der erste Pass hat es in sich. Unser Suri windet sich hinauf in ein Land zerklüfteter Ödnis. Die Berge kreisen um uns, strecken sich und verwachsen nach dem schneebedeckten Hochgebirgspass zu einem langgezogenen Hochtal.
Am nächsten Morgen erwachen wir in Schräglage. Ein kurzer Blick nach draussen erklärt das Malheur. Wir haben einen platten Reifen. Eine rostige Schraube hat sich ausgerechnet unseren rechten Hinterreifen als neues Zuhause ausgesucht. So wechseln wir den Reifen und lassen diesen im nächsten Dorf, "Ak-Tal", notdürftig reparieren, bevor uns die Piste in unzähligen Serpentinen auf einen weiteren Pass von 3400 m hinaufführt.

Endlich sind wir angekommen am zweitgrössten Gebirgssee Kirgistans, dem "Song-Köl" auf über 3000 Meter. Inmitten einer riesigen Hochebene, umgeben von den besten Weidegründen Zentralasiens und eingerahmt von noch höheren, einsamen Berggipfeln.
Die Felder sind von den vielen Tieren schon ziemlich überweidet und sehen aus wie hügelige Golfplätze. Überall, bis zum Horizont, sind die Yurten verteilt, wo die Familien von Juni bis September Schafe, Kühe, Pferde und Yaks hüten. Nach den Sommerferien der schulpflichtigen Kinder geht die Mutter mit ihnen und einem Lastwagen, der sie und die Yurte abholt, zurück ins Tal. In dieser Zeit treiben die Männer während mehrerern Tagen die Tiere zurück nach Hause und übernachtet wird in kleinen, mitgebrachten Zelten.

Ene Schotterstrasse führt dem Südufer des Sees entlang nach Westen. Immer mehr der kleinen Brücken sind eingestürzt und wir müssen die Umfahrung durch den Fluss nehmen, bis sich die Pisten in mehreren tiefen Fahrrinnen quer durch die Wiese verzweigen. Es bleibt uns nichts anderes übrig als umzukehren, sind wir doch die einzigen weit und breit.

Wir suchen uns einen einsamen Stellplatz in der Nähe des Sees bei einem Fluss, wo wir noch unsere Wäsche waschen können.
Der romantische Sonnenuntergang taucht die Landschaft in malerische Farben und langsam verblassen die Umrisse der weissen Jurten hinter dem dunklen Horizont. Die Stille der Nacht hängt wie ein seidenes Tuch über der unwirklichen Hochebene. Über uns der funkelnde Sternenhimmel und nur zwischendurch durchdringt als einziges von weither der Ruf eines Uhus die Einsamkeit.

Frühmorgens verlassen wir den verträumten Song-Köl mit seinen Jurten und tausenden von blöckenden Schafen. Im Lichte der Morgensonne sprenkeln die Silhouetten einer Yak Herde die Hochebene, bevor wir ein weiteres Mal einen 3400 m hohen Pass überqueren und der Schlangenlinie eines weiss schäumenden Flusses folgen, der uns in tiefere Lagen bringt.

Baden im heiligen See

Schon lange freuen wir uns auf ein Bad im Ysyk-Köl, dem 180 km langem und 60 km breitem See. Dieser auf 1600 m Höhe gelegene Gebirgssee ist ein Superlativ unter den Seen dieser Welt. Er ist der zweitgrösste Hochgebirgssee überhaupt und elf Mal so gross wie der Bodensee. Ein abflussloser, ganz leicht salziger See, der Dank warmer Quelle niemals zufriert und sich im Sommer auf Badetemperatur erwärmt. Im Moment haben wir Mitte Juni und wir lassen es uns nicht nehmen, ebenfalls ein erfrischendes Bad im ca. 17° warmen See zu nehmen. Das Südufer ist wenig bevölkert und so finden wir immer wieder schöne Übernachtungsmöglichkeiten direkt am See.

In der Nähe von Karakol fahren wir nach "Jeti-Öghüz", einem Kurort zu Füssen roter Sandsteinklippen. Hier im Tal der Blumen, auf 2300 Meter, nicht unweit einer Yurtensiedlung, lassen wir uns für die Nacht nieder. Hier können wir schön beobachten, wie die Fohlen und Stuten zusammengetrieben werden und die Letzteren bis zu fünf Mal am Tag gemolken werden.

Etliche 5- und 6'Tausender bilden einen natürlichen Abschluss im hintersten Teil des Tales und laden gerade zu ein, spektakuläre Trekkings zu unternehmen. Wir begnügen uns mit einer Tageswanderung zu einem für uns Schweizer kleinen aber schönen Wasserfall.

Nach 2 Wochen Kirgistan verlassen wir heute dieses interessante Land. Unsere Erwartungen haben sich mehr als erfüllt und wir sind glücklich, das erlebt haben zu dürfen.