10 China


Reisebericht 10 / Ehrenhod (China) - Boten (Grenze zu Laos) / 14. August 2014 - 12. September 2014

Kilometerstand: 30'200km

Reiseroute: Erlianhaote, Peking, Grosse Mauer, Datong, Taiyuan, Luoyang (Shaolin Kloster), Xi'an ( Terrakotta Armee), Chengdu (Panda Bären), Chongqin (Yangtse Kreuzfahrt), Kunming, Grenze Laos

Der grosse Frust

Wir 4 Fahrzeuge stehen im chinesischen Zollareal und der Zollbeamte kommt mit strenger Miene auf mich zu und meint: "Dieser Kleber mit der Weltkarte auf eurem Auto ist in China verboten. Ihr müsst ihn auf der Stelle abreissen, sonst bekommt ihr keine chinesische Fahrerlaubnis."
Ich schau ihn verdattert an und denke, das kann doch nur ein Witz sein. Es war aber kein Witz!

Doch alles der Reihe nach.
Die Ausreise aus der Mongolei ist alles andere als ein Zuckerschlecken. War die Einreise noch problemlos zu schaffen, braucht es nun eine gehörige Portion Geduld. Nach langem Anstehen hinter einer endlosen Kolonne mongolisch / russischer Jepps, kommen wir an einen Beamten, der nur von uns Ausländern eine Art nachträgliche Strassengebühr in der Höhe von 20 USD will. Wir weigern uns den Betrag zu bezahlen, da die Einheimischen ohne Anzuhalten an ihm vorbeifahren und demzufolge natürlich nichts bezahlen.
Nach einer halben Stunde Diskussion wird er wütend und versucht mir meinen Pass zu entreissen. Den gebe ich aber nicht aus der Hand und nun heisst es, wir sollen sofort wieder zurück Richtung Mongolei.
Zähneknirschend bezahlen wir alle diese Touristen Gebühr und fahren weiter bis zum eigentlichen Zoll. Auch dort heisst es erstmals zwei Stunden anstehen, bis wir das Büro der Immigration Control erreichen.
Wir bekommen eine Art von Laufzettel, auf dem Schlussendlich 4 Stempel plaziert sein müssen. Nach einer weiteren Stunde haben wir die Stempel vom Passbüro, Immigration, Fahrzeugkontrolle und Inspektion. Unserer Weiterfahrt zum modernen Zollareal von China ist wie eine Fahrt in eine andere Welt. Schon am Eingang des topmodernen Zollgebäudes erwartet uns unser Guide "Toni" der uns die nächsten Tage durch den Dschungel der chinesischen Bürokratie führen wird.
Der Anfang beginnt noch harmlos, strukturiert, wie wir das von den Flughäfen dieser Welt kennen. Pass abstempeln, Auto desinfizieren und inspizieren und Fahrzeugpapiere, sowie Motorennummer überprüfen. Doch nun nimmt das Desaster seinen Lauf. Lange stehen zwei Zollbeamte um unseren Sur und diskutieren lautstark. Toni, unser Guide und Übersetzer klärt uns auf, dass in China keine Weltkarten auf Autos geduldet sind, die die Konturen der Länder Chinas und Indiens nachzeichnen. Infolge Grenzstreitigkeiten dürfen diese Linien nicht klar ersichtlich sein und wir müssen den Kleber sofort vom Auto entfernen. Viele Overlander sind mit solchen Karten auf ihren Fahrzeugen nach China eingereist, aber noch nie haben wir sowas gehört. Wir können es kaum glauben, aber am gestrengen Gesichtsausdruck des Beamten meint es dieser ernst.

Diese schöne Karte abkratzen, die in jedem Land so viel zu Diskussionen mit Einheimischen beitrug, kommt für uns nicht in Frage. So kleben wir über China und Indien ein grosses Schweizerkreuz, damit niemand mehr die genauen Länder-Linien sieht. Wieder folgt eine grosse Diskussion unter den Zöllnern und sie meinen mit gestrenger Miene: "Bu", was soviel heisst wie Nein. Wir haben noch Klebefolie im Auto und kleben daraufhin die gesamte Weltkarte mit der Folie ab. Auch dies befriedigt die Zöllner nicht. Sie bestehen immer noch darauf, dass ich die ganze Folie entferne.
Doch bei einem Entfernen des Klebers würde dieser zerreissen und noch einen Teil des Fahrzeuglacks mitnehmen. Wer will das schon!

Nun hole ich mein Messer und... keine Angst, ich erstechen diesen Beamten nicht, was ich in diesem Moment am liebsten täte, sondern schneide ein Rechteck (siehe Bild) mit den Ländern China und Indien aus der Folie. Nun klafft mitten in der Weltkarte auf unserem Fahrzeug ein hässliches, kleines Loch, das die Beamten endlich zufrieden stimmt.
Nun kommt endlich eine chinesische Übersetzerin und versucht uns den Sachverhalt zu erklären: "Zwischen Nord-Indien und Südwest-China, im Gebiet des indischen Kaschmir, herrschen seit vielen Jahren Grenzstreitigkeiten. Aus diesem Grund ist es in China nicht erlaubt, auf Autos oder sonstigen öffentlichen Gebäuden, Landkarten mit eben diesen Ländern zur Schau zu stellen. Eigentlich müssten wir die Karte entfernen, aber sie machen nun eine Ausnahme und wir dürfen diese "gekröpfte" Karte am Fahrzeug beibehalten."
Das fängt ja gut an! Willkommen in China.
Da die Chinesen immer weitere Forderungen stellen, wie eine höhere Sicherheitsleistung und einen detaillierten, technischen Bericht von der letzten Fahrzeugkontrolle (TÜF), müssen wir wir uns ein Hotel nehmen. Die Fahrzeuge bleiben einstweilen auf dem Zollareal konfisziert.
Am nächsten Tag, nachdem die Agentur sämtliche Berichte noch ins chinesische übersetzen musste, bekommen wir unsere neuen Nummernschilder und den chinesischen Fahrausweis ausgehändigt.

Endlich, nach 2 Tagen Grenzformalitäten, fahren wir ins Reich der Mitte.
Wir das heisst:
-Gaby und Christian mit ihrem Mercedes Rundhauber
-Verena und Benni mit dem VW-Bus
-sowie Sven und Astrid mit dem Steyr.
(sie Bilder unter "Tipps, Begegnungen")

Auf nach Peking

Wie haben wir uns in der Mongolei auf die asphaltierten Strassen von China gefreut. Nun fahren wir ruhig und gemächlich über das gut ausgebaute Strassen-System des roten Reiches. Gestoppt werden wir nur von den vielen Maut Stellen, die quer über das ganze Land verteilt sind. Überall wird gebaut. Riesige Wohnblocks und noch mehr im Bau befindliche Wohnhäuser, schiessen in den Himmel und zieren von nun an das Strassenbild. Irgendwo müssen die 1,3 Milliarden Chinesen doch wohnen, aber eigentlich sieht es eher nach einer riesigen Immobilien-Blase aus.
Die erste Nacht ausserhalb der Grenze verbringen wir in Jining. Am Abend schlendern wir in die Stadt und verfolgen interessiert das Geschehen auf dem Hauptplatz. Eine Gruppe Chinesen, etwa 100 an der Zahl und zumeist ältere Semester, turnt gemächlich zu Musik. Eine andere, jüngere Gruppe, macht Gymnastik zu modernen Klängen und eine weitere tanzt konzentriert zu Tango Musik.
Als die Musik zu Rock and Roll wechselt, mischen wir uns unter das staunende Volk. Viele tanzende Paare und das zahlreiche Publikum zücken ihre Handys und wir werden gefilmt wie Filmstars. Die wenigstens haben hier je Ausländer gesehen und tanzende schon gar nicht.
Allgemein sind wir positiv überrascht von den Chinesen. Sie sind so ganz anders als wir sie aus der Schweiz kennen. Sehr neugierig und doch ein wenig auf Distanz. Beim Überholen werden wir oft aus dem Auto heraus fotografiert und die ganze Familie winkt uns freudestrahlend zu.

Schon 200 km vor Peking fahren wir in eine undurchdringliche Smog-Glocke, hervorgerufen durch Millionen von Fahrzeugen und der zahlreichen Industrie nahe der Hauptstadt. Hier leben - um kein Geld!
Wir finden einen Parkplatz nahe an einer U-Bahn Station, etwa 20 km ausserhalb der City. Von hier aus besichtigen wir in den nächsten 3 Tagen die vielen Sehenswürdigkeiten der 7 Millionen Stadt.

Der Alltag der Millionenstadt zeigt sich uns zuallererst im Verkehr. Die Strassen - verstopft, nicht mehr wie noch vor einigen Jahren von Fahrrädern, sondern von Autos. Viel Zeit kann man im Stau verlieren. So kaufen wir uns lieber für 2 Yuan ( 30 Rappen) ein U-Bahn Ticket oder für 1 Yuan ein Bus Billet. Beide Verkehrsmittel sind modern, sauber und erfreuen die Besucher mit gut lesbaren Plänen, englischer Ansage und Leuchtschriften. Die Olympischen Spiele 2008 haben der Stadt einen touristischen Tatsch verpasst.

Eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten ist sicherlich die "verbotene Stadt" mit dem Kaiserpalast. Gleich einer Festung von einer 10 m hohen Mauer und einem breiten Graben umschlossen, liegt der 969 m lange, rechteckige Komplex in der Mitte Peking's. Von der "Verbotenen Stadt" spricht man, da keiner ausser dem Kaiser aus eigener Macht Zutritt besass. Mit Frauen, Konkubinen, Kindern und Eununchen lebten hier bis zu 3'000 Personen. Zusammen mit vielen, sehr vielen chinesischen Touristen, besichtigen wir die überaus interessanten Gebäude und Thronhallen. Die Gebäude haben weit überragende Dachsparren und auf den auslaufenden Spitzen balanciert jeweils eine kleine Prozession von Fantasiefiguren.

Am Tiananmen Platz, wo vor 25 Jahren das Blutbad an der friedlich demonstrierenden Bevölkerung stattfand, wird die Angst der Partei vor dem eigenen Volk unmittelbar spürbar. Überwachungskameras, Sicherheitsschleusen, Polizei und Militär, wohin man schaut. Gewiss hat China in wenigen Jahren ein Wirtschaftswunder vollbracht, aber auf ein Demokratie Wunder müssen sie noch lange warten.

Für uns Schweizer ist der Besuch des Olympiaparks schon fast Pflicht. Wurde das Stadion doch von den Architekten Herzog & de Meuron entworfen.
Weil das ovale Nationalstadion von aussen wie ein Gewirr aus Stahlbändern aussieht, erhielt es von den Pekingern schon bald den Spitznamen "Vogelnest". Zu Recht, wie uns scheint. Nicht minder interessant ist das Schwimmzentrum mit seinen bläulich, durchscheinenden Quader, das aus riesigen Schaumblasen zu bestehen scheint.
Weiter besuchen wir die "Peking Oper", wo wir Westler natürlich kein Wort verstehen, das Künstler Viertel, sowie die quirlige Einkaufsstrasse "Wangfujin", mitten im Zentrum.

Als Abschluss unserer Peking Sightseeing Tour, gönnen wir uns noch eine echte Pekinger Ente im, laut Reiseführer, besten Restaurant der Stadt. Ob es das Beste ist können wir nicht bestätigen, aber wahrscheinlich ist es das beliebsteste Lokal mit seinen mehreren hundert Plätzen auf 4 Etagen.

Höhepunkt ist immer das Essen

Der Alltagshöhepunkt ist in China immer das Essen, ein Gemeinschaftsvergnügen, bei dem in der Regel so viele Gerichte auf den runden Tisch kommen, wie auch Gäste daran sitzen. In normalen Restaurants bekommen wir oft eine bebilderte Speisekarte, die aber auch nicht immer weiterhilft. Dann heisst es mutig ausprobieren.
Wenn wir im Konvoi unterwegs sind, bestellt meistens Toni für uns alle ein leckere Abfolge an Speisen zum Mittagessen. Er weiss, dass wir Westler keinen Hund oder Schlange lieben. Auch keine Skorpione und Frösche, wie man sie auf der Strasse in Garküchen finden kann.


Eine schwere Entscheidung liegt an

Nun wird es Zeit, eine Entscheidung zu fällen. In der letzten Woche lasen wir viel im Internet, schrieben Mails an die schweizerische Botschaft in Nepal, sowie an andere, gut informierte Quellen.
Der Grund, die einzige Verbindungsstrasse vom tibetischen Lhasa ins nepalische Kathmandu ist infolge eines gewaltigen Erdrutsches mit vielen Toten auf unabsehbare Zeit gesperrt.
Statt der Strasse hat sich dort ein 4 km langer See gebildet. Wir trauen der Sache nicht so recht, dass die 40 km lange Umfahrungsstrasse Ende September fertig sein soll. Fact ist, niemand kann dies genau abschätzen, da in diesem Gebiet auf über 4000 m immer noch Regenzeit herrscht. Wir rechnen damit, sollten wir da durch fahren, hätten wir mit gewaltigen Problemen zu kämpfen und müssten wahrscheinlich das Fahrzeug für mehrere Wochen in einer Krisenregion zurücklassen. Wollen wir das?
Wir stimmen ab und schweren Herzens entscheidet sich unsere Gruppe die Route zu ändern und über Laos auszureisen. Zu dieser Zeit, mit all den wilden Spekulationen, sicherlich die einzige und beste Entscheidung.

Mit der Polizei an der grossen Mauer

Hochhäuser, Brücken, Pyramiden, wer sich Gedanken über das mächtigste Bauwerk der Erde macht, stellt sich nur selten eine Mauer vor. Und dennoch gilt die Chinesische Mauer als das grösste Bauwerk aller Zeiten, das je von Menschen gebaut wurde.
China ist riesen gross und der Grenzverlauf eines so grossen Landes stellt wohl jeden Herrscher vor ein grundsätzliches Problem. Es gibt einfach nicht genug Soldaten, um eine so lange Grenze einigermasen bewachen zu können.
Das dachte sich auch der Kaiser Qin Shinhuangdi, der im 3. Jahrhundert v. Chr. sein Volk vor den brutal mordenden Nomaden schützen wollte.
Er hatte die Idee, eine riesige begehbare Mauer gleich einer Festung zu errichten. Sie sollte von der Ostküste bis zur Wüste Gobi durch Gebirge, Täler, Wälder und Wüstenlandschaften verlaufen und für die Feinde des Reichs der Mitte unüberwindbar sein. Man vermutet, dass sich die Bauarbeiten über 2000 Jahre erstreckt haben. In dieser Zeit wurde vor allem die arme Landbevölkerung zum Bau der Anlage verpflichtet. Während des Bauhöhepunktes waren 20% der chinesischen Bevölkerung an den Arbeiten beteiligt. Nur mit Lumpen bekleidet und ohne ausreichende Nahrung schufteten viele mit blossen Händen. Zwischen 250'000 und 1 Million Menschen starben an den Folgen der harten Arbeit. Der Bau der Ägyptischen Pyramiden war dagegen ein Klacks.

Dass die 10'000 km lange Mauer eine Touristenattraktion ist und jährlich von 10 Millionen Menschen besucht wird, bekommen wir hautnah mit. Es herrscht ein Gedränge und Geschupse wie auf dem Jahrmarkt. Etwas abseits der grossen Menschenmassen setzen wir uns in eine Nische und stellen uns die Angriffe der räuberischen Nomaden vor, wie sie vor vielen Jahrhunderten aus dem Hinterhalt die Mauer angriffen, die sich durch undurchdringlich scheinenden Dickicht die Berge hinauf schlängelt.

Doch nun werden wir ebenfalls Opfer eines Angriffs. Nicht wir persönlich, sondern unser Suri. Nicht die nomadischen Völker aus dem Westen greifen an, sondern ein Han Chiese aus dem Osten. Was ist geschehen.
Astrid und Sven sind schon vorausgegangen, während wir noch auf der Mauer waren. Nun schreiben sie ein SMS, dass wir besser sofort zurückkommen sollten, da ein Chinese unser Auto gerammt hätte.
Wir sind geschockt! Was ist wohl geschehen? Wir gross ist der Schaden?
Wir nehmen den nächsten Shuttle Bus, der uns zum Wohnmobil zurückbringt. Von weitem sehen wir schon die Polizei und eine grosse Menschentraube, die um unser Fahrzeug steht.
Sofort gehen wir zum Suri und suchen den Schaden. Gott sei Dank haben wir nur einen kleinen Lack-Kratzer und der Abwassertank ist leicht eingedrückt. Der Schaden am chinesischen Auto ist beträchtlich höher. Die Frontpartie sowohl die Scheinwerfer sind stark beschädigt. Er ist wohl einfach zu schwungvoll eingeparkt und hat die Distanz falsch eingeschätzt. Die Polizei stellt einen Rapport aus und ich einige mich mit dem Unfallverursachenden Fahrer auf 50 $ Schadenersatz. Er öffnet seinen Geldbeutel, zeigt mir seine 15 Kreditkarten und fragt: "Akzeptieren sie auch Kreditkarten? Ich habe leider kein Bares dabei."
Was für eine blöde Frage! Wie soll ich Kreditkarten hier auch dem Parkplatz akzeptieren?
Ich sage zu ihm: "Wenn sie kein Geld haben, werde ich ihre schöne Ledertasche als Pfand nehmen." Wahrscheinlich ist die mehr wert als die 50 $, denn plötzlich hat er das Geld und gibt es mir. Warum nicht gleich.

Die Yungang-Grotten

Im Konvoi fahren wir zu den Yungan-Grotten westlich von Datong. Wir sehen 1:1, was verdichtetes Bauen auf Chinesisch heisst. Riesige Wohn- und Geschäftshochhäuser säumen die sechsspurige Autobahn. Während wir einen Schritt machen, marschiert China mit drei Schritten in die Zukunft. Setzt rücksichtslos gigantische Bauprojekte in Reisfelder, in denen letztes Jahr noch mit Ochsen gepflügt wurde. In Anbetracht dieser gewaltigen Industriegebiete kann einem angst und bange werden. Vielerorts sieht es jetzt schon aus wie in Downtown Los Angeles. Es ist eine völlig andere Welt, in der Kommunismus und Kapitalismus auf selten heftige Art und Weise aufeinander prallen. Eine Welt, über die man viel hört, die für uns aber immer noch relativ unbekannt war. Wie sagten schon die alten Chinesen: "Einmal sehen ist besser als hundertmal hören."

Alle 4 Tage haben wir Toni in unserem Auto. Dieses Fahrzeug übernimmt dann jeweils die Führungsrolle. Ist es wieder soweit, verabschiedet sich Ruth in die heisse Kabine, da wir vorne nur für 2 Personen Platz haben.
Ich nutze diese Zeit, um Toni ein wenig über die politischen Verhältnisse in China auszufragen. Natürlich darf er sich nicht zu weit mit seinen Äusserungen aus dem Fenster lehnen, da er seine Stelle als Guide noch behalten möchte. Doch ein paar Antworten sind schon interessant.
"Laut chinesischer Verfassung hat jeder Chinese das Recht auf eine freie Meinungsäusserung, sowie die politischen Führungskräfte selbst zu wählen.
Ich bin jetzt 34 Jahre, konnte aber noch nie im Leben über irgendwas abstimmen. Ich kenne auch keine Leute, die je abstimmen konnten."
In China beschwert man sich besser nicht über diese Logik. Denn was dann passiert.....man hört und liest es aus den Medien.

Die Yungang-Grotten sind eigentlich ein Grottentempel an einer Kilometer langen Felswand, in der 51'000, meist Buddha Figuren, in den Fels gehauen wurden. An einer Allee aus Elefanten, auf denen historische Säulen befestigt sind, flanieren wir zu einem Baum aus goldenen Blättern. Danach geht es weiter über Brücken und an Tempeln vorbei, bis wir schliesslich zu den eigentlichen Grotten kommen. Es ist schlicht faszinierend, an diesen kunstvoll hergestellten Buddha Figuren entlang zu schlendern. Der grösste Buddha der Yungang Grotten misst über 17 Meter.

Am Abend des gleichen Tages besichtigen wir noch die hängenden Klöster von "Hunyuan". Auf dürren Stelzen balancieren diese kleinen Tempel an einer überhängenden Felswand. Der Anblick ist dramatisch und überwältigend.

Am nächsten Tag besichtigen wir den weltweit ältesten Turm, die Holzpagode von "Yingxian". Dieser wurde im Jahre 1056 erbaut und ist ein Wunderwerk der Zimmermannskunst. Nur Schade, dass man zur Zeit die oberen Stockwerke infolge Einsturzgefahr nicht mehr betreten darf.

Als nächste Sehenswürdigkeit steht der Familienhof Qiao auf dem Programm. Wir alle haben uns eine Art Bauernhof vorgestellt mit Ackerbau und Ponyreiten. In der Tat ist es ein altes Wohnhaus von einer der reichsten Familien überhaupt. Sie haben das Vermögen im vorigen Jahrhundert mit Geldtransfers gemacht. Nun ist das mehrere hundert Zimmer grosse Anwesen eine Art von Museum das man besichtigen kann. Sicherlich interessant, wenn nicht immer ein Chinese die Sicht behindern würde. Und von denen hat es viele, sehr viele.

Kungfu im Shaolin Kloster

Ein Teil der Gruppe besichtigt heute die "Longmen-Grotten" bei der ehemaligen Kaiserstadt "Luoyang", wo auf einer Länge von 1 km Unmengen von Buddhafiguren in den Fels gehauen wurden und wir besichtigen das weltberühmte "Shaolinkloster".
Als Jugendlicher war es immer ein Traum von mir gewesen, hier in diesem Kloster für mehrere Monate das Kungfu zu erlernen. Zu dieser Zeit hat es nicht geklappt aber nun, etliche Jahre später, stehen wir vor den Toren dieser historischen, mythenbehafteten Tempelanlage.
Doch der Rummel vor und im Kloster sucht seinesgleichen. Wie überall in China ist jede Sehenswürdigkeit nur durch ein Spiessroutenlaufen durch etliche Souvenirstände und Imbissbuden zu erreichen. Beim eigentlichen Kloster hat sich schon eine lange Schlange vor der Arena, wo die Kungfu Show abgehalten wird, gebildet.
Ursprünglich entwickelte sich der Kampfsport im Shaolin-Kloster aus einer Art Gymnastik, als Ausgleich zur Bewegungslosigkeit der Mönche bei ihrer Meditation. Heute existieren zahlreiche Kungfu Schulen in der Umgebung des Shaolin-Klosters. Auch Sheila, eine junge Studentin aus Belgien meint: "Ich vertiefe hier, zusammen mit meinem Lebenspartner, für die nächsten zwei Wochen meine Kenntnisse in Kungfu. Das Training ist sehr hart und ich habe schon etliche, neue Techniken gelernt."

Die eigentliche Kungfu Show für uns Touristen ist eine Mischung aus Action und Akrobatik. Wir sehen nicht das eigentliche Traning dieser Selbstverteidigungs Art, sondern es wird mehr Wert auf den Unterhaltungseffekt gelegt.

Pingyao und die Terrakotta-Armee von Xi'an

Wir beziehen unser Nachtlager vor der alten Stadtmauer Pingyao's. Wenn die vielen Touristen nicht währen, ist es beinahe, als betrete man die Ming-Zeit. Eine intakte Altstadt mit vielen Tempeln, einer 6 km langen Stadtmauer und fast 4000 historische Wohnhäuser. Statt Neonreklamen hängen Fahnen und alte Gewerbeschilder an den Läden. In einem dieser Shops, wo draussen ein Schild hängt mit der Aufschrift: "Fussmassage 30 Yuan", umgerechnet 4.50 sFr., lassen wir für die nächsten 60 Minuten unsere Füsse verwöhnen.

Es folgt ein Highlight auf das andere und mit "Xi-An", das seit 1987 Unesco Welterbe ist, ein ganz besonderes.
Erst 1974 stiess hier ein Bauer bei Feldarbeiten rein zufällig auf Tonscherben und nun, 40 Jahre später, macht dieser Haufen Tonscherben die Stadt zu einem der bekanntesten Reiseziele unseres Globus. Fasziniert betreten wir die gedeckte Halle, wo einst das Mausoleum des ersten Kaisers von China beheimatet war.
221 vor Chr. liess er eine riesige Grabwächterarmee errichten. Die Gesamtzahl der Soldaten und Pferde, die alle aus Ton und Bronze hergestellt wurden, wird auf mindestens 7000 geschätzt. Während unserer Besichtigungstour sind etliche Studenten und Archäologen damit beschäftigt, die Einzelteile der zertrümmerten Figuren mühsam wieder zusammenzusetzen. Es war damals eine reale Armee aus Kriegern, Pferdeführern, Bogenschützen und Offizieren, die teilweise in über 1000 Stücke zerbrochen sind. In gestaffelten Kampflinien stehen die tönernen Soldaten unter uns in der Grube, wo sie den einstigen Kaiser auch im Jenseits einmal beschützen sollten.

Bei den Panda Bären

Chengdu ist mit seinen 3,5 Mio. Einwohnern für chinesische Verhältnisse eher eine Kleinstadt. Da besuchen wir zunächst die Panda Forschungsstation. Wir hängen uns einer englischsprachigen Tourgruppe an und erfahren allerlei Interessantes über die süssen, schwarz-weissen Panda Bären. Nirgens auf der Welt sind die Zuchterfolge grösser als hier in Chengdu. Wir können uns kaum satt sehen an den drolligen Tieren, wie sie gemütlich an ihren Bambusstangen herumknabbern, im Schwimmbad planschen oder auf den Bäumen sich gegenseitig die Ohren langziehen.


3 Schluchten Staudamm

Da wir nun Tibet nicht besuchen und über Laos ausreisen werden, haben wir noch ein paar Tage übrig, die nicht verplant sind. So entscheiden wir uns, zusammen mit Gaby und Christian, eine Kreuzfahrt auf dem Yangtse, dem längsten Fluss China's, zu unternehmen.

In der 3 Mio. Stadt "Chongquin" beginnt die 4'tägige Flussfahrt. Unser Schiff beherbergt ca. 200 Personen und alle Kabinen sind mit Panoramafenstern, sowie einem Balkon ausgestattet. Wir geniessen es, von der eigenen Terrasse aus, mit einem Bier in der Hand, die faszinierende Landschaft an uns vorbei gleiten zu sehen.

Schon bei der ersten Schlucht erheben sich die kahlen Felsen in den Himmel, die dem Blick immer wieder entschwinden. Büsche und knorrige Bäume wachsen aus den überhängenden Felsblöcken, ihre Wurzeln klammern sich in die engen Spalten des Gesteins.
Jeden Tag machen wir Ausflüge zu verschiedenen Kloster und Tempelanlagen und am 4. Tag haben wir den gewaltigen "Drei Schluchten Staudamm" erreicht. Schon 1992 wurde der Bau beschlossen und hier wegen seines granitenen Untergrundes und der Möglichkeit, eine Insel in das Bauwerk einzubeziehen, gebaut. Der Staudamm hat eine Länge von 2.309 m und eine Höhe von etwa 185 m. In der Flussmitte befindet sich der Hochwasser-Ableitungskanal. 26 große Turbinen werden zur Erzeugung von Strom eingesetzt, sowie ein Schiffs-Hebewerk. Von der nahen Insel aus können wir das ganze Bauwerk bestens überblicken.

Bei der Beurteilung des Drei-Schluchten-Staudamms wird bei uns gerne unterschlagen, dass durch diesen Damm nun die Flutkatastrophen am Unterlauf des Yangtsekiang verhindert werden können, die seit jeher viele Tausende von Menschenleben gefordert haben. Die Überlegung der Chinesen: Es sei besser, Bewohner am Oberlauf des Flusses höher bzw. umzusiedeln, als die Toten am Unterlauf weiterhin in Kauf zu nehmen.
Im 20. Jahrhundert sind drei Millionen Menschen in den Fluten des Jangtsekiang ums Leben gekommen.
Es ist kaum vorstellbar, dass nicht nur Landschaften untergegangen sind, sondern auch ganze Städte, unzählige Dörfer und Fabriken.
Insgesamt mussten bis zu zwei Millionen Menschen umgesiedelt werden.

Nach 4 interessanten Tagen auf dem Yangtse fahren wir mit dem "High Speed Train" zurück nach Chengdu zu unseren Reisekollegen, um die Fahrt Richtung Süden mit den Wohnmobil's fortzusetzen.

Der Steinwald von Shilin

Ein lauter Knall hinter uns und der VW Bus von Benni und Verena rollt auf den Pannenstreifen. Was ist geschehen? Der Keilriemen schabte so lange am Plastikgehäuse bis er ein Teil davon abschabte, dieses sich um den Keilriemen wickelte und dieser danach mit einem gewaltigem Knall zerriss. So wird er kurzerhand an das Abschleppseil von "Locki" gelegt und wir nehmen die nächste Ausfahrt um in Ruhe den Schaden zu reparieren. Gut ist Benni Automechaniker. So ist es für ihn eine Bagatelle, diese Reparatur vorzunehmen. Im kleinen Ort wo wir stehen, können wir auf den nächsten Tag einen neuen Keilriemen bestellen und danach geht die Fahrt weiter Richtung "Stone Forest".

Wieder einmal bezahlen wir den stolzen Eintrittspreis von 200 Yuan, umgerechnet etwa 28 sFr. pro Person und besichtigen den Steinwald von Yunnan. China ist nicht billig! Die Besichtigung der Sehenswürdigkeiten geht tüchtig ins Geld. Dazu kommen noch die gesalzenen Autobahngebühren.
Trotzdem, ist man schon einmal im Land der Mitte, sollte man sich seine Landschafts- und Kulturschätze nicht entgehen lassen.

In vielen Millionen von Jahren formte hier die Erosion aus den Kalksedimenten eines vorgeschichtlichen Ozeans bizarre, bis zu 30 m hohe Steingebilde. Pagoden, Säulen, Pilze und seltsame Blüten scheinen aus dem Fels zu wachsen. Auf einer Fläche von 260 Quadrat km verteilen sich mehrere solcher "Wälder".
Ein gut ausgebauter Wanderweg führt uns um die Steintürme, wo einst das Regenwasser die weichen Sedimente auswusch, bis die heutigen Formen entstehen konnten.
Gut haben wir auf dem hauseigenen Parkplatz übernachtet und sind somit die ersten, die diesen skurrilen Erosionswald besichtigen können, denn schon am späteren Vormittag ist er hoffnungslos überlaufen. Kein Stein, auf dem nicht ein Chinese hockt und mit dem obligatorischen Peace Zeichen abgelichtet werden will. Auch wir fügen uns dem Schicksal und posieren uns mit ihnen vor einem Steinhaufen. Wir fragen uns, wer um Gottes Namen will nur all die Fotos sehen, wo Chinesen mit Langnasen posieren.

Die schönsten Reisterrassen Chinas

Wir fahren zu den Yuanyang Reisterrassen in den südlichen Ailo Bergen. Diese wurden von der Volksgruppe der Hani angelegt und stechen durch ihre grandiose Lage auf schmalen Hängen hervor. Neben der Mehrheit der Bevölkerung aus der Volksgruppe der Hani gibt es einige andere ethnische Gruppen, die in dieser Region leben, darunter die Yi, Dai, Yao, Zhuang und die Miao.
Hier befahren wir eine 50 km lange Panoramastrecke, nur um nach jeder weiteren Biegung stehen zu bleiben und fasziniert dieses Jahrhundert alte Bauwerk der Reisbauern zu bestaunen. Die nächsten 2 Tage fahren wir zügig über hohe Berge und schmale Täler Richtung laotische Grenze.

Resümé

China ist ganz bestimmt eine Reise wert.
Es wäre schön, wenn man einmal im Leben die verbotene Stadt, den Kaiserpalast, die grosse Mauer, sowie die Terrakotta Armee gesehen haben könnte.
Doch - und nun kommt es - man muss die 4 M schon lieben. Das heisst: "Man muss Menschen mögen", denn von diesen gibt es reichlich. Überall wimmelt es nur so von Chinesen.

Auch der Strassenverkehr ist gewöhnungsbedürftig. Es wird links und rechts überholt und die langsamsten Fahrzeuge fahren nicht etwa rechts, sondern in der Mitte der Autobahn.
Häufig kam es vor, dass Autos uns überholt haben, auf dem Pannenstreifen anhielten, nur um uns später beim vorbeifahren zu fotografieren.

Eigentlich ist China ein kommunistisches Land. Was wir aber gesehen haben ist ein Kapitalismus in reinster Form. Überall und immer versucht der Chinese ein Geschäft zu machen. Der Kommunismus besteht meiner Meinung nach nur noch in der Form der Regierung. Eine Demokratie hat da nach wie vor keinen Platz und die lukrativen Posten werden intern weitergeschoben. Die meisten der Abgeordneten des Chinesischen Parlamentes sind schon lange Dollar Millionäre.
Der neue Leitspruch haben wir als Sticker auf einem chinesischen Auto gesehen: "Mony, mony, come to my".

Der Druck der jungen Leute hat enorm zugenommen. Eine gut bezahlte Stelle zu bekommen ist das höchste aller Gefühle. Auch junge Frauen suchen sich mit Hilfe der plastischen Chirurgie einen vermögenden Lebenspartner. Da spielt das Alter, die Gesundheit und das Aussehen des zukünftigen Ehemannes keine Rolle.
Kürzlich war eine krasse Situation in den Medien.
Der (vermögende) Mann hat eine bildhübsche, junge Frau geheiratet. Doch welcher Schock, das Kind, das die beiden gezeugt haben, ist extrem hässlich. Da seine jetzige Frau mit Hilfe der Medizin fast ihr ganzes Aussehen verändert hat und sie zuvor nicht gerade die Schönste war, ist auch ihr Kind nicht von Schönheit gezeichnet.
Das veranlasste den Mann, seine Frau zu verklagen, da sie ihm ihr zuvoriges Aussehen unterschlagen hat. Schon krass!

Die Umweltbelastung ist ein grosses Problem. 20 von unseren 30 Tagen kamen wir nur selten aus dem Smog heraus. Nebst den Atom- und Wasserkraftwerken gibt es immer noch sehr viele Kohlekraftwerke, die die Umwelt extrem verpesten. Nie auf unseren 5100 km quer durch China haben wir einen sauberen Fluss oder See gesehen. In keines dieser Gewässer hätten wir unsere Füsse reingesteckt.
Doch, das muss auch gesagt werden, die Regierung hat dies erkannt und unternimmt endlich was. Man sieht etliche Solar- und Windparks und Benzin betriebene Motorräder sind mit einer hohen Steuer belegt. So sahen wir meistens Batterie betriebene Kleinmotorräder.

Oft wurden wir gefragt, wie harmoniert eure bunt zusammen gewürfelte Kleingruppe?
Nicht schlecht, würden wir sagen. Die drei andern Fahrzeuge waren zwar Deutsche, das gab eine gewisse Sprachbarriere. Wenn 6 Deutsche wild drauflos quasseln, verstanden wir nur Bahnhof. So kam es manchmal, dass wir uns ein wenig zurückzogen.
Doch wir alle mussten Kompromisse eingehen und die funktionierten hervorragend. Alle waren am Morgen pünktlich, man konnte sich auf gemeinsame Abfahrtszeiten, sowie Tagesziele einigen und die Rücksichtsnahme auf die verschiedenen Typen von Fahrzeugen hat auch gut geklappt.
Toni, unser Guide, hatte viele Storys von anderen Gruppen auf Lager. Die haben sich schon am ersten Tag verkracht, assen jeweils an verschiedenen Tischen und wenn sie überhaupt miteinander sprachen, nur in einem schrillen Tonfall.

Doch ich denke, nach einem Monat des gemeinsamen Reisens sind alle froh, wieder unabhängig, alleine, die weitere Reise zu gestalten.



(C) 2011 - Alle Rechte vorbehalten

Diese Seite drucken